1.Chronik 4,9-10 – der hässliche Name eines Mannes

Warum lesen Sie denn jetzt diesen Artikel?

Der Artikel bezieht sich auf eine Bibelstelle, die mitten in den endlosen Geschlechtsregistern des ersten Chronikbuches steht.

Da kommt man normalerweise nicht freiwillig hin.

Dieser Text ist wirklich nicht vergnügungssteuerpflichtig.

Oder hat Sie der Terrorismus eines Bibelleseplans in diesen Hort der Langeweile gezwungen?

Ortsbestimmung

Wir befinden uns in einem Teil der Chronik, in dem der Verfasser alle Listen von Familien, derer er habhaft werden konnte, gesammelt hat.

Das gelobte Land war untergegangen; vielleicht saß der Schreiber irgendwo in Babylonien, oder er ist schon aus Babylonien, wo er geboren wurde, nach Jerusalem zurückgekehrt.

Der Verfasser der Chronik will beschreiben, wie das Reich Gottes funktionieren kann. (Denn wie es nicht funktionieren kann, das hatte man durch Ausprobieren längst rausbekommen.)

Dazu beschreibt er in diesen ersten Kapiteln, dass man ein Recht haben muss, um in Gottes Reich zu leben – man muss von denen abstammen, die damals aus Ägypten gekommen sind.

Wenn Jesus zu seinen Jüngern sagte: „Freut euch, dass Eure Namen im Himmel angeschrieben sind“ (Lk 10,20), so müssen wir hier zu den Bewohnern von Israel sagen: Freut Euch, wenn Eure Namen in der Chronik stehen. Denn dann habt Ihr ein Recht auf das Land und auf Gott.

Der hässliche Name

Und so lesen wir in den Chroniken jede Menge Namen, und hinter jedem Namen verbirgt sich ein besonderer Mensch. Da gab es Menschen, die gut kochen konnten, und es gab Menschen, die gut Musik machen konnten. Es gab Menschen, die konnten gut reiten, und andere konnten gut mit Kindern, und es gab besonders freundliche und besonders empfindliche und sehr ungeduldige und sehr ruhige.

Aber aus der Menge all der Namen, die in den Chronikbüchern stehen, ragt einer heraus. Er hat einen besonders unschönen Namen. Und Namen waren zu damaliger Zeit ungemein wichtig, der Name eines Kindes war eine Prophezeiung für sein ganzes Leben, der Name war sozusagen die Überschrift über dem Leben eines Menschen. Darum hat Gott sich in besonders wichtigen Momenten auch eingemischt und hat den Namen eines Menschen bestimmt.

So hatte Gott bestimmt, dass Abram umbenannt wurde in „Vater einer Menge“ und dass sein Sohn „er wird lachen“ heißen soll. Gott hatte den Namen von Johannes dem Täufer bestimmt, denn Johannes bedeutet „Gott ist gnädig“, und er hatte den Namen von Jesus bestimmt, denn der bedeutete „Gott ist Rettung“.

Und die Söhne von Elimelech und Noomi hießen „schwächlich“ und „schwindsüchtig“ (Ruth 1,2), und die Namen waren Programm, die beiden Männer haben nicht lange gehalten.

Und hier in 1.Chr 4 treffen wir auf jemanden, der heißt „Kummer“ oder „Schmerz“. Ja, das ist ein Lebensprogramm! Das ist eine Programmierung, da kannst Du von vornherein einpacken. Simson bedeutete „kleine Sonne“, das ist schön, und Samuel bedeutet „von Gott erhört“, das ist kein schlechtes Lebensprogramm! Aber wenn Du „Schmerz“ heißt, was hast Du da schon zu erwarten?

1.Chr 4,9

9 Und Jabez war angesehener als seine Brüder; zwar hatte seine Mutter ihm den Namen Jabez gegeben, denn sie sagte: Mit Schmerzen habe ich ihn geboren. 

Die Leute, die diese Listen geschrieben haben, stießen bei ihrer Recherche und bei ihrer Ahnenforschung neben vielen Lebensläufen, die vorhersagbar und normal verlaufen waren, plötzlich auf einen, der völlig aus dem Rahmen fiel. Nach dem war sogar eine Gegend benannt worden, wo später dann die Schreiber wohnten, also nicht unbedingt die Dümmsten im Land. (1.Chr 2:55)

Und die Autoren dieser Listen sahen sich nun in der Pflicht, zu erklären, wie es denn kommen kann, dass jemand, der ein so miserables Lebensprogramm mitbekommen hat, letztlich zum Namensgeber einer Region wird. Wie konnte es passieren, dass im Reich Gottes, wo alle die gleichen Voraussetzungen hatten was Segen und Glaube anging, einer so aus der Masse herausstach? Noch dazu einer, der dem Namen nach nicht dazu prädestiniert war?

Das neue Lebensthema

Die Herausgeber dieser Listen erklären nun, warum das alles so gekommen ist:

10 Aber Jabez hatte den Gott Israels angerufen und gesagt: Dass du mich doch segnen und mein Gebiet erweitern mögest und deine Hand mit mir sei und du das Übel <von mir> fern hieltest, dass kein Schmerz mich <treffe>! Und Gott ließ kommen, was er erbeten hatte. — 

Also gleich das zweite zuerst: Jabez erwartet von Gott, dass das mit den Übel und den Schmerzen gestrichen wird. Jabez wollte ein neues Lebensthema.

Und das ist in diesem Fall ja auch verständlich. Denn Jabez lebte im gelobten Land, also auf dem besten Flecken Erde, auf dem man leben konnte. Niemand konnte es wohnortsmäßig besser treffen als Jabez. Kein Ägypter und kein Babylonier, kein Russe und kein Amerikaner. Man konnte nicht besser wohnen als im gelobten Land.

Aber was nützt das, wenn du im gelobten Land lebst, und hast eine solche Prophezeiung über Deinem Leben? Was nützt der schönste Flecken Erde, wenn du ein solches Schicksal hast? Und Jabez erkannte ganz richtig, dass es unmöglich Gottes Willen sein konnte, dass er zwar im gelobten Land lebte, sich aber mit einer solchen Hypothek herumschlagen musste. Es konnte einfach nicht nach Gottes Vorstellungen sein, dass Gottes Segen durch diesen Fluch, der über seinen Leben hing, neutralisiert wurde. Gott segnet einen Menschen ja nicht mit dem schönsten Wohnort auf der Welt, und dann ist es halt Pech, wenn dieser Segen überhaupt nicht wirkt, sondern von irgendwelchen anderen Einflüssen zunichte gemacht wird.

Das größte Problem

Worum es hier eigentlich geht, ist, dass Jabez von Gott wünscht, dass Gott das größte Problem seines Lebens beseitigt. Dass Gott das Lebensthema, das Jabez sich nicht selber ausgesucht hat, unwirksam macht. Hier in diesem speziellen Fall also: dass Gott das Übel von ihm fern hält und dass kein Schmerz ihn trifft.

Jabez erwartet, dass Gott das Problem, das ihm das ganze Leben versauert und das den Segen des gelobten Landes neutralisiert, dass Gott dieses Problem löst. Dass Gott ihn von der Hypothek befreit, die andere ihm aufgebürdet haben. Und von der Jabez sich nicht selber befreien kann, weil er sie nicht selbst gewählt hat.

So ein Lebensthema hat jeder Mensch. Bei dem einen wirkt es sich gravierender aus, und bei einem anderen fällt es nicht so auf.

Da gibt es Menschen, die dürfen nicht diszipliniert sein. Die dürfen die Dinge nicht sofort dahin legen, wo sie hingehören. Die dürfen Papiere nicht auf der Stelle ordentlich abheften. Die dürfen ihre Zeit nicht ordentlich einteilen. Und jedes Mal, wenn sie es doch versuchen, regen sich in ihnen so ungeheure innere Widerstände, dass sie es schnell wieder sein lassen.

Da gibt es Menschen die müssen alle Dinge richtig tun, und sie müssen immer das Richtige tun. Es ist ihnen nicht erlaubt, Dinge zu machen, bei denen ihre Mama die Stirn gerunzelt hätte. Es ist ihnen nicht erlaubt, Dinge in einer Qualität zu erledigen, wo der Papa nicht zufrieden mit gewesen wäre. Das Ergebnis ist entweder, dass man dann gar nichts macht, oder dass man nur die wirklich ganz richtigen Dinge macht und ständig Angst hat, doch das Falsche getan zu haben, oder man muss alles perfekt erledigen und hat’s am Ende am Herzen oder an den Nerven, weil man so unter Druck steht, und man hat auf die eine oder andere Weise sein Leben ruiniert.

Es gibt Menschen, die dürfen nicht erfolgreich sein. Eine innere Instanz verbietet es ihnen.

Es gibt Menschen, die sind nur wertvoll, wenn sie krank sind. Ihr Leiden ist das Wertvollste an ihnen.

Es gibt Menschen, die müssen etwas besonderes sein. Der Verdacht, sie könnten so sein wie die anderen, so durchschnittlich, der darf nie und nimmer aufkommen.

Es gibt Menschen, die müssen immer beweisen, dass sie selbstbestimmt sind. Dass niemand ihnen Vorschriften machen darf. Dass sie sich nach niemandem richten müssen. Dass sie niemandes Knecht sind und niemandes Magd.

Und es gibt Menschen, denen es bestimmt ist, dass ihr ganzes Leben von Kummer und Schmerz geprägt ist und die das auch wissen und die sich deshalb immer so verhalten, dass diese Vorhersage auch eintrifft.

Wen es noch gibt

Und es gibt Jabez. Der der festen Überzeugung war, dass es nicht im Sinne Gottes sein konnte, dass man aus der Sklaverei in Ägypten befreit war, und nun von der eigenen Seele versklavt wurde. Der nicht einsah, das er dem Terrorismus der ägyptischen Aufseher entkommen war, nur um jetzt von einem Auftrag seiner Mutter terrorisiert zu werden.

Jabez hatte verstanden, dass Gott, wenn er gelobtes Land sagte, auch gelobtes Land meinte. Dass wenn Gott Freiheit sagte, er tatsächlich Freiheit meinte und nicht eine Verschiebung der Unterdrückung auf eine andere Ebene.

Und Jabez forderte von Gott, dass Gott die Überschrift über seinem Leben ändern möge.

Und wenn Gott das macht, und wenn man nicht mehr eingeschränkt wird von den Ängsten und Gedanken, die von ganz tief innen kommen, dann ist natürlich alles möglich. Dann ist man frei.

Das hat Jabez aber noch nicht gereicht. Er bat Gott zusätzlich um etwas, was sehr dumm ist. Man muss schon ein wenig beschränkt sein, um Gott um so etwas zu bitten.

Jabez bat Gott nämlich, dass der sein Gebiet erweitern sollte.

In Palästina lebten ja immer noch viele Kanaaniter, die man zu den Bösen rechnete. Und denen hätte man natürlich, wie es von Gott vorgesehen war, Land wegnehmen können. Dummerweise wehrten sich die. Die wollten ihr Land und ihr Leben nicht einfach so hergeben.

Aber es war ja absolut im Sinne Gottes, dass sein Reich sich ausbreitet, dass das Gebiet, wo Gott herrscht und nicht die Kanaaniter, dass dieses Gebiet größer wurde. Also bat Jabez, weil er wusste, dass das auch in Gottes Interesse war, um diese Gebietsvergrößerung.

Was natürlich sehr undurchdacht und ziemlich dumm war.

Die Dummheit der Gebietserweiterung

Denn wenn wir jetzt mal ganz profan bei der Land- und Forstwirtschaft bleiben:

Wenn Du bisher 5 Felder hattest, wo Du sähen und Unkraut bekämpfen und ernten und umgraben musst, dann hast Du nach der Gebietserweiterung vielleicht 10 Felder, wo Du säen und Unkraut bekämpfen und ernten und umgraben musst.

Und wenn Du bisher 5 Weiden hattest, wo Du Zäune bauen und Zäune reparieren musstest und für Trinkwasser sorgen musstest und giftige Pflanzen beseitigen musstest, dann hast Du nach der Erweiterung 10 Weiden, wo die Zäune kaputt gehen und giftige Pflanzen wachsen, und dann hast Du vielleicht auch mehr Vieh für auf die Weiden, das dann gechipt werden muss und gemolken werden muss und zum Tierarzt muss und von Seuchen bedroht ist und von Bären.

In einfachen Worten gesprochen: Man halst sich mit dieser Bitte mehr Arbeit und mehr Verantwortung auf, man hat mehr Zuständigkeit und mehr Stress, und wenn so ein Tier ausbüchst, weil irgendwo der Zaun kaputt war, und es trampelt beim Nachbarn durch den Salat, dann muss man auch noch den Salat bezahlen.

Oder im Sinne des Neuen Testaments zu sprechen: Wenn wir heute im Reich Gottes leben und Gott bitten würden, dass er unser Gebiet erweitern soll und unser neues Gebiet natürlich aus dem Gebiet des Teufels wegnehmen soll, dann handelt man sich Ärger mit dem Teufel ein, und man hat dann mehr Verantwortung und mehr Zuständigkeit – also wenn ich Gott bitte, dass meine Reichweite sich erweitert, dass meine Wirksamkeit größer wird, dass mein Einfluss sich vermehrt und die Bereiche, wo ich etwas bewirken kann, wachsen – dann ist es vorbei mit Ruhe und Freizeit und Harmonie.

Wenn unser Gebiet sich erweitert, wenn unser Einflussbereich wächst, dann gibt es mehr Zäune zu reparieren und mehr Vieh zu chippen und mehr Unkraut zu ziehen, und wer soll das machen außer denen, die seit 20 Jahren in der Gemeinde sind und sich damit auskennen sollten?

Und darum bittet man sowas nicht, denn da hat man nur Ärger davon.

Gut, Gott würde sich natürlich freuen. Es wäre absolut in Gottes Sinn, dass sein Reich sich ausbreitet, dass unsere Einflusssphäre wächst, dass die bösen Menschen weniger Einfluss haben und die guten mehr. Aber wenn man dann soviel Ärger und Arbeit und Mühen und Verdruss hat deswegen?

Den Schreibern der Chronik war aufgefallen, dass aus der Menge der Gläubigen, die alle den gleichen Gott hatten und alle den gleichen Glauben hatten und alle die gleichen religiösen Voraussetzungen hatten, trotzdem einer herausragte. Und dass dieser eine ausgerechnet einer war, dem das Leben eigentlich ziemlich schlechte Karten gegeben hatte.

Und die Chronisten stellten fest, dass dieser Mann Gott um zwei Sachen gebeten hat, die ganz offenbar voll auf Gottes Linie lagen:

·         Dass Gott alles beseitigen soll, was den Segen und Freiheit des Menschen behindert

·         und dass Gott ihm mehr Verantwortung, mehr Einfluss geben soll.

Und das wäre auch eine Lösung für einige Probleme europäischer Gemeinden.