1.Könige 22,5-18 die ersten falschen Propheten

Ein sehr langer Text ist dieses. Über die Befragung aller möglichen Propheten.

Man kann sich fragen, warum der Autor hier so in die Breite und in die Einzelheiten gegangen ist.

Antwort: Zum einen will der Autor der Königsbücher zeigen, warum das Reich Gottes den Bach runtergegangen ist. Und das liegt durchaus auch an der völligen Deformation von Prophetie.

Zum anderen ist das hier das erste Mal, dass richtige und falsche Prophetie aufeinander treffen, so dass an diesem Beispiel die ganze Misere erläutert wird.

Das grundsätzliche Missverständnis

Das grundsätzliche Missverständnis der „falschen“ Propheten bestand darin, wie Gott Einfluss nimmt auf die Welt.

Die „falschen“ Propheten gingen davon aus, dass sie selbst oder eine übergeordnete Instanz (König, Zeitgeist, Gesellschaft) eine Entscheidung treffen, und Gott hat diese Entscheidung dann zu segnen.

Warum hat Gott diese Entscheidung zu segnen? Weil sie richtig ist. Wir wollen ja schließlich das Gute.

Hier wird also die Rolle des Bestimmers vertauscht. Nicht Gott bestimmt, und wir führen aus, sondern wir bestimmen, und Gott führt aus.

Ursache für diesen Vorgang

Dieses Missverständnis konnte geschehen, weil Gott nicht mehr als so ganz richtig personaler Gott wahrgenommen wird. Also als eine Person mit einem Willen und eigenem Gestaltungsanspruch.

Gott wird eher wie das Schicksal betrachtet. Als eine religiöse Kraft, die man anzapfen kann. Ein bisschen wie der Buddhismus: Die Kraft ist da, man muss sie sich nur nutzbar machen.

Folglich war das Weissagen dieser Propheten eher wie die Motivationsveranstaltung eines Motivationstrainers.

Der Ursache folgt eine Ursache

Weil man Gott nicht mehr als Person wahrnahm, wusste man natürlich auch nichts mehr von Gottes Stimme. Folglich konnte Zedekia sich mit Recht beschweren, wieso angeblich der Geist Gottes von ihm gewichen sei: Er hatte den Geist Gottes noch nie erlebt, also kannte er den Unterschied nicht. Er war sich sicher, dass das, was er da machte, dem Geist des relativ unpersonalen Gottes entsprach.

Wenn man nun selber die Stimme Gottes nicht hören kann, ist es einem natürlich auch völlig unverständlich, dass jemand anders da etwas hört. Diese Vorstellung ist unvorstellbar, denn sie hat mit meiner Lebenserfahrung absolut nichts zu tun. Und wenn jemand anders etwas hören kann, was mir verwehrt ist, dann hieße das ja, dass der andere besser ist, frömmer, heiliger. Das kann aber nicht sein, weil ich selbstverständlich den Gipfel der Erkenntnis erreicht habe, zumindest aber eine Spitzenposition in der Heiligung.

Heutiges Elend

Der Autor beschreibt hier genaustens das Elend der heutigen Gemeinden. Und das Elend der Christenheit der vergangenen Jahrtausende und der kommenden wahrscheinlich auch.

Es ist in den Gemeinden üblich, dass die Gemeinde etwas beschließt (möglichst noch schön demokratisch), und Gott dann bittet, er möge das Vorhaben segnen. Schließlich ist das Vorhaben ja gut.

Gott hat man allerdings nicht gefragt. Das hätte auch nichts genützt, denn man kann die Stimme Gottes ja nicht hören. Man erlebt Gott in den Gemeinden nicht als so persönlich, dass man mit ihm reden könnte, wie David mit ihm geredet hat.

Folglich legt man die Bibel aus. So wie man es halt versteht, und so wie der Zeitgeist das Verständnis nahe legt. Da man mit der Bibel aber alles beweisen kann und auch das Gegenteil, ist das Ergebnis genauso subjektiv wie die Erkenntnisse des Zedekia.

nicht beurteilbar

Wenn man dann in der Gemeinde jemanden hat, der die Stimme Gottes tatsächlich hören kann, dann hat der einen ähnlich schweren Stand wie der Prophet Micha.

Denn die Gemeinde versteht ja überhaupt nicht, wovon der redet. Das, was der sagt, hat mit der Lebenserfahrung der Gemeinde nichts zu tun. Die Gemeinde verfügt über keinerlei Werkzeug, mit dem sie das beurteilen könnte, was derjenige sagt. (Der einzige Beweis wäre, wenn er hinterher recht hat. Aber wetten, dass der Gemeinde da auch noch etwas einfällt, um denjenigen ins Abseits zu stellen?)

Das ist das, was Paulus dann so beschreibt: 1.Kor 2,14-15

14 Ein natürlicher Mensch aber nimmt nicht an, was des Geistes Gottes ist, denn es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen, weil es geistlich beurteilt wird. 

15 Der geistliche <Mensch> dagegen beurteilt zwar alles, er selbst jedoch wird von niemand beurteilt.

Jesus wird von Johannes zu dem gleichen Thema wie folgt zitiert: Joh 3,8

8 Der Wind weht, wo er will, und du hörst sein Sausen, aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht; so ist jeder, der aus dem Geist geboren ist.

Das grundlegende Problem

Wir haben hier also, sowohl bei Ahab und Zedekia als auch in unseren heutigen Gemeinden, das immer gleiche Problem, das nicht lösbar ist.

Diejenigen, die die Stimme Gottes noch nie gehört haben, werden aufgrund ihrer Erfahrung vehement verneinen, dass es überhaupt etwas zu hören gibt und dass irgendwer anders etwas gehört hat.

Und diejenigen, die Gottes Stimme hören, können es nicht beweisen, da die anderen den Beweis nicht erfassen könnten.