1.Könige 22,28 höre, Du Volk, Du eines!

Lesen Sie Bibelkommentare?

Würde sich für Leute, die im Glauben und in der Gemeindearbeit fortgeschritten sind, ja gelegentlich anbieten.

Aber es gibt durchaus Momente, da fragt man besser Gott als die Kommentatoren.

Ich habe tatsächlich in den 10 Kommentaren, die ich zu diesem Vers gelesen habe, keine einzige Antwort gefunden, was dieser Spruch von Micha sollte.

Historisch-kritisch

Entweder der Schreiber des Kommentars war ein Anhänger der historisch-kritischen Methode, dann machte er es sich einfach und schrieb, dass da jemand den Anfang des Schriftpropheten Micha einfach an die Worte dieses Propheten Micha drangehängt hat, weil man glaubte, die beiden seien identisch.

(Klar. Völlig einleuchtend. Würde ich ja auch so machen. Absolut logische Idee, dass ich den ersten Satz eines anderen Buches hier mitten in den Text reinschreibe.)

Die Alternative der Historisch-Kritischen war, dass jemand den Anfang des Schriftpropheten Micha als Bemerkung an den Rand geschrieben hatte, und diese Anmerkung ist dann in den Text gerutscht. (Wenn man immer alles, was man in der Bibel nicht versteht, für einen Fehler hält, wird man nicht zu viel Erkenntnis über Gott kommen … )

Bibeltreu

Oder die Kommentatoren waren bibeltreu. Dann haben sie diesen Satz entweder übergangen, oder sie schrieben, dass Micha die Welt zum Zeugen aufruft für die Wahrheit dessen, was er sagt.

So könnte man immerhin argumentieren. Wenn man z.B. sagt, dass Micha Gott nicht zum Zeugen anrufen kann, weil Gott hier Partei ist und als Schiedsrichter deshalb ausfällt.

Das Volk, das hören soll

Das einzige Volk, das hier vermutlich hören soll, sind die Aramäer.

Die Aramäer bestanden aber nicht aus einem einzigen Volk, sondern aus vielen, und eine große Anzahl von ihnen waren Nomadenstämme. (Darum waren sie so schwer zu besiegen: Immer, wenn man kam, waren sie nicht da.)

Und diesen Aramäern teilt Micha jetzt mit, dass sie die Botschaft bitte zur Kenntnis nehmen möchten: Gott ist ausnahmsweise auf ihrer Seite, und Gott beabsichtigt, den Ahab nicht lebend aus dieser Schlacht herauskommen zu lassen.

Dass die Aramäer diese Botschaft gehört haben, sieht man daran, dass die Armeeführung der Aramäer es während der Schlacht nur auf Ahab abgesehen hatte.

War Samaria verwanzt?

Wie aber hätten die Aramäer die Botschaft von Micha hören sollen? Schließlich hat Micha ja auf dem offenen Platz vor dem Stadttor von Samaria gesprochen und nicht in Damaskus.

  1. Durch Spione. Wäre doch seltsam, wenn Ahab und Josafat einen pompösen Auftritt in Samaria hinlegen, der ja auch angekündigt war (sonst hätte die Bevölkerung nicht gewusst, dass sie da erscheinen soll), wenn dann keine Spione anderer Länder dagewesen sein sollten.
  2. Durch Tratsch. Wenn die ganze Stadt Samaria gehört hat, was Micha angekündigt hat, und der Tross des Königs von Juda noch dazu, dann war für Tratsch, Tweets und Statusmeldungen bei WhatsApp und Facebook wohl genügend Material vorhanden.

Ein letztes Wort an die historisch-kritischen

Wie wärs, wenn‘s andersrum war?

Dass hier nicht ein Wort des Schriftpropheten dem Akustik-Propheten aus dem Nordreich zugeordnet wurde, sondern dass der schriftliche Micha aus dem Südreich mit Absicht mit einem Spruch seines Namensvetters aus dem Nordreich beginnt?

Um dessen Arbeit zu würdigen und vielleicht sogar auf der anderen Seite der Grenze fortzusetzen, weil dort die Zustände unter König Ahas ähnliche Formen angenommen hatten wie unter Ahab im Norden?

Ich meine ja nur.