Warum diese Stadtmauer gebaut werden musste

Da wundert sich der fromme Mensch doch sehr: Warum braucht es in Jerusalem so etwas weltliches, materielles wie eine Stadtmauer? Wacht nicht der Herr über die Stadt und den Tempel? Verlässt man sich hier nicht auf weltlichen Schutz, wo man sich doch auf den Schutz des Herrn verlassen sollte?

Mehr war nicht

Nehemia und die Leute um ihn herum hatten als höchste Verheißung Gottes das Bild vom gelobten Land. Eine Idee von einem Himmel oder ewigem Leben hatten sie nicht.

Wenn also Nehemia hier am irdischen Reich Gottes baut, dann baut er an dem höchsten, was er von Gott kennt.

Teil dieser größten bekannten (und verständlichen) Verheißung war es, dass Gott in der Mitte seines Volkes wohnte, und der Ort dieses Wohnens war definiert als der Zionsberg in Jerusalem.

Nehemia baute also am erlesensten Teil der höchsten ihm bekannten Verheißung, nämlich am Schutz des Tempels und am Schutz von Gottes Wohnort.

Und wenn es auch immer mal wieder, besonders in Notlagen, die Ansage Gottes gab, dass er für sein Volk kämpfen wird und die weltlichen Waffen sinnlos waren, so war es doch die Aufgabe der Israeliten, das Reich Gottes zu „bauen“.

Von nichts kommt nichts

Schon bei der Verteilung des gelobten Landes mussten die Israeliten sich das Land erobern. Gott hat das Land nicht in Geschenkpapier gewickelt und den Israeliten überreicht.Nehemia

Auch den Tempel und seinen Vorgänger, die Stiftshütte, hat Gott nicht vom Himmel fallen lassen. Sondern die Israeliten mussten das Haus Gottes selber errichten.

Im Grunde hing auch der gesamte Zustand des Reiches Gottes von den Israeliten ab. Wenn sie gehorsam waren und den Willen Gottes taten, dann stand das Reich in Blüte da, und den Einwohnern ging es gut. Wenn die Israeliten aber ihren eigenen Gesetzen und Ideen folgten, dann ging es dem Reich Gottes schlecht. Obwohl der dazugehörende Gott ja immer noch der Gleiche war.

Natürlich basierte das Ganze auf Gottes Wohlwollen, auf Gottes Grundidee, der Fromme würde sagen: Auf Gottes Gnade. Aber die Gnade Gottes allein nützt nichts, damals nicht und heute nicht. Wenn das darauf aufbauende Werk der Gläubigen nicht dazu kommt, dann ist Gottes Gnade für die Katz.

Hat nicht viel genützt

Am Ende muss man natürlich sagen, dass diese Stadtmauer nur ein wenig genützt hat.

Denn als die Mauer fertig war, berichtet uns das Buch Nehemia, dass die Gläubigen es alsbald schafften, das Reich Gottes von innen her zu zerstören.

  • Die Reichen nahmen die Armen erbarmungslos aus.
  • Im Tempel hatten Leute eine Kammer, die mit Gott absolut nichts zu tun hatten.
  • Der Sabbath wurde aus Gründen des Umsatzes und des Profits ignoriert
  • Die Abgaben für den Tempel wurden nicht gezahlt, so dass der gesamte Tempeldienst mehr oder weniger zusammenbrach, weil die Leviten arbeiten gehen mussten, um ihre Familien ernähren zu können.
  • Es wurden ausländische Frauen in großer Zahl geheiratet. Das ist kein rassisches Problem, sondern ein religiöses, denn diese Frauen brachten von daheim ihre bequemen Götter mit.

Es ist also genau so wie heute:

Obwohl sowohl Gott als auch der Staat eine Mauer um die Gemeinden gebaut haben, schafft die Gemeinde es immer wieder, das Reich Gottes selber zu torpedieren, an den Rand des Abgrundes zu manövrieren.

(Nur zur Erklärung: Gott eine dadurch eine Mauer um die Gemeinde gebaut, dass der Teufel aus dem Himmel rausgeflogen ist und der Heilige Geist gekommen ist. Die Feinde der Gemeinde können der Gemeinde im Kern nichts mehr anhaben. Und der Staat hat uns die Religionsfreiheit garantiert, und die Spenden können wir von der Steuer absetzen.)

Wir nicht

Um also im Bild zu bleiben:

Wir brauchen heute keine Mauer mehr um den Wohnort Gottes zu bauen, um die Feinde Gottes oder der Gemeinde vom Reich Gottes fernzuhalten. Die Mühen, die Nehemia auf sich genommen hat, hat Gott für uns erledigt.

Das Problem, dass wir eine großartige Verheißung haben und diese dann selber torpedieren, haben wir aber nach wie vor.

Oder, wie auch Jesus an den Pharisäern und Schriftgelehrten sehen konnte:

Die gefährlichsten Feinde Gottes sind die Gläubigen.