Jeremia 27 – Gott plant Unterdrückung

Nein, da hat der Jeremia sich bestimmt keine internationalen Freunde gemacht.

Als er den Botschaftern der Nachbarländer Israels gesagt hat, die können wieder nach Hause gehen.

Unverrichteter Dinge.

Wo die doch mit soviel Hoffnung gekommen waren, dass man mit gemeinsamer Kraftanstrengung sich von Nebukadnezar befreien könnte.

Also die planten einen Aufstand.

Und alle waren gekommen.

Es fehlte wirklich keiner.

Und man traf sich in der Mitte, also in Jerusalem.

Und jetzt teilt Gott dieser internationalen Koalition mit, dass er dagegen ist.

Ja, nicht nur, dass er gegen diesen Aufstand ist. Sondern dass er ihn sogar hintertreiben wird.

Und dass Gott jeden mit Krieg und Seuchen und Hunger überziehen wird, der an so einem Aufstand gegen Nebukadnezar teilnimmt.

Oder anders gesagt: Ein Aufstand gegen Nebukadnezar ist ein Aufstand gegen Gott und wird von Gott entsprechend beantwortet.

Erste Zielgruppe: die ganze Welt.

Wir haben bis Vers 11 ein Wort Gottes an die ganze Welt.

Das ist nicht eine Rede Gottes an Israel, wie wir das üblicherweise von den Propheten gewohnt sind.

Sondern alles, was Jeremia hier an Nationalitäten erreichen kann, das spricht er an.

(Die Chinesen nicht. Von denen war ja keiner da.)

Und Jeremia teilt der ganzen anwesenden Welt mit, dass Gott beabsichtigt, ihnen ihre Freiheit und ihre Souveränität zu nehmen.

Also das, was Völker und Nationen in der Regel als ihr höchstes Gut betrachten, das wird Gott ihnen wegnehmen.

Gott verdonnert diese Staaten und ihre Menschen dazu, in Unterdrückung zu leben.

Eigentlich muss man sagen: Gott verurteilt die ganze Welt dazu, in Unterdrückung zu leben.

Und dafür muss es doch einen Grund geben.

Und die Christen wissen es dann normalerweise auch sehr schnell: Der Grund ist die Sünde.

Aber so altmodisch ist Gott gar nicht.

Gottes Begründung ist sehr modern: „Weil ich es kann.“

Gott gibt den Heiden keinerlei nachvollziehbare Begründung, warum sie in Knechtschaft zu leben haben.

Gott ordnet für diese Leute Unterdrückung an, und sie haben das zur Kenntnis zu nehmen und zu akzeptieren.

Es gibt für die Heiden keine Möglichkeit, das jetzt intellektuell zu verstehen.

Selbst wenn die sich bemühen würden, zu verstehen, warum Gott das macht: Sie könnten es nicht verstehen, denn Gott erklärt es ihnen nicht.

Gott sagt: „Ich habe das so entschieden, und damit basta.“

Erste Anwendung

Und wenn die Heiden jetzt sagen: „An einen Gott, der unschuldige Kinder an Krebs sterben lässt, glaube ich nicht“, dann nützt ihnen das gar nichts. Denn Gott hat die Welt in die Hand des Bösen gegeben, und damit werden die Menschen unterdrückt von Viren und Bakterien und Unfällen und Erbgutfehlern und bösen Menschen.

Und Gott rechtfertigt sich gegenüber der Welt nicht für sein Handeln.

Zweite Zielgruppe: Die Gemeinde, das Reich Gottes

Nun hat Gott nicht nur den Heiden etwas zu sagen, sondern auch dem führenden Personal im Reich Gottes.

In diesem Falle dem König Zedekia, denn der war der Chef von Israel, und damit war er Chef vom Reich Gottes.

Allerdings hat Gott für Zedekia keine andere Botschaft als für die Heiden: Das Reich Gottes ist dazu verdonnert, in Unterdrückung durch einen mächtigen Diktator zu existieren.

Und die Strafe, wenn man diesen Diktator nicht akzeptiert, ist genauso verheerend wie die Strafe für die Heiden.

Die Gemeinde, sagt Gott in Vers 12-15, wird in Unterdrückung leben müssen.

Und auch für die Gemeinde gibt es keine Begründung.

Die Gemeinde lebt in dieser Welt, und für die Gemeinde gelten die Gesetze dieser Welt.

Und dummerweise gelten diese Gesetze auch innerhalb der Gemeinde.

Also das Gemeindehaus ist kein Schutzraum vor dem Diktator, so wie der Boden Israels kein Schutzraum vor Nebukadnezar war.

Missverständnisse, die zu großem Ärger führen, die gibt es auch innerhalb der Gemeinde.

Neid gibt es auch innerhalb der Gemeinde.

Streit gibt es auch innerhalb der Gemeinde, und auch hier liegt der Tiger nicht harmlos neben dem Schaf.

Und wenn jetzt die Propheten kommen und sagen, das sei falsch und das dürfe nicht sein, dass das Böse auch in die Gemeinde hinein regiere, dann kommen diese Propheten nicht von Gott.

Gott erwartet, dass die Gemeinde lernt, unter der Knute von Nebukadnezar oder dem Bösen zu leben.

Natürlich hat die Gemeinde andere Möglichkeiten, unter diesen Umständen zu leben als die Gottlosen. Die Gemeinde kann vergeben und lieben und Böses mit Gutem vergelten und großzügig sein und die zweite Meile mitgehen und den anderen höher achten als sich selbst.

Die Gemeinde hat auch unter den schwierigen Bedingungen der Diktatur des Bösen einen Gott.

Für die Gemeinde gibt es die Verheißungen des gelobten Landes. Die werden dadurch nicht aufgehoben, dass Nebukadnezar politisch die Macht hat.

Für die Gemeinde gelten alle die Vorteile, die aus einer Beziehung zu Gott entstehen.

Damit hat die Gemeinde natürlich viel bessere Voraussetzungen, um in der Diktatur und der Unterdrückung zurechtzukommen als die Menschen, die keinen Gott für sich und hinter sich haben.

Aber wenn es Hochwasser gibt, gibt es das für alle.

Und wenn Corona kommt, dann kommt das für alle. Die Gemeinde lebt genauso unter der Diktatur von Corona wie der Rest der Welt.

Und darum musste David mit der Existenz von Saul zurechtkommen. Gott hat Saul nicht aus Davids Leben entfernt.

Und Hiob musste mit dem Teufel zurechtkommen.

Und Paulus musste mit den Zuständen in Korinth zurechtkommen.

Übrigens sind diese Zustände, unter deren Diktatur wir leben, niemals eine Ausrede für Gottlosigkeit.

Für geringen Glauben.

Sondern so, wie von den Heiden erwartet wird, dass sie unter den gegebenen Umständen tadellos leben, so wird das von den Gläubigen auch erwartet.

Sprüche wie „ich kann nicht glauben, denn die Wellen sind so hoch und der Sturm ist so stürmisch“ hat Jesus nie akzeptiert.

Dritte Zielgruppe: Die ganz frommen

Zum Schluss hat Jeremia noch ein Wort Gottes an die ganz frommen.

An den inneren Kern der Gemeinde.

An die wirklich heiligen.

An diejenigen, die sich wirklich am Gottesdienst beteiligen, und zwar jeden Tag.

Und diese besonders gottgeweihten Leute hatten in Jerusalem ein spezielles Problem:

Nebukadnezar war ja schon zweimal dagewesen, und er hatte auch einige heilige Gerätschaften aus dem Tempel mitgenommen. Welche genau, wissen wir nicht, denn wir kennen hier aus Jeremia nur diejenigen heiligen Utensilien, die Nebukadnezar auf jeden Fall nicht mitgenommen hat.

Und das kann ja nun nicht sein.

Dass Nebukadnezar sich an der Anbetung Gottes vergreift.

Also am heiligsten, was die Gemeinde hat.

Der hat Macht über die Dinge, die in der Beziehung zwischen Gott und Menschen eine bedeutende Rolle spielen.

Das ist inakzeptabel.

Dass der Teufel Macht ausüben kann in unserem Gottesdienst.

Dass der Teufel seine Finger reinkriegt in meine Beziehung zu Gott.

Dass der Teufel Einfluss nehmen kann auf das, was in meinem Leben die Heiligkeit ausmacht.

Auf das Göttliche in meinem Leben.

Also mein Glaube muss doch unberührt vom Teufel sein. Der Teufel darf sich doch nicht in meinem Glauben einmischen!

Nebukadnezar darf doch nicht bestimmen, wieviel Anbetung möglich ist und unter welchen Bedingungen sie zu geschehen hat.

Also Nebukadnezar kann sich am Getreide und am Vieh vergreifen, aber doch nicht am Gottesdienst!

Und somit traten in Jerusalem Propheten auf, die vorhersagten, dass diese heiligen Geräte innerhalb der nächsten zwei Jahre wieder nach Jerusalem zurückkämen.

Was natürlich implizierte, dass Nebukadnezar dann weg vom Fenster ist. Freiwillig wird er sie sicher nicht rausrücken.

Gott distanziert sich in Vers 16 aber ganz deutlich von diesen sogenannten Propheten.

Was man verhindern kann

Und dann gibt Jeremia Gottes Beschluss bekannt, dass auch die restlichen Tempelgeräte, die dem Nebukadnezar beim letzten Mal zu schwer zum Abtransport waren, dass auch die nach Babel entführt werden.

Also Gott gibt Nebukadnezar die Macht und die Gewalt über jedes Ding, das den Gottesdienst betrifft.

Es gibt keinen Bereich im Gottesdienst mehr, der nicht in die Hände des Teufels gefallen ist.

Keinen Bereich im liturgischen Gottesdienst, und keinen Bereich im alltäglichen Gottesdienst.

Und jetzt sagt Jeremia:

Wenn diese Propheten da in Jerusalem wirklich Propheten wären, dann würden sie das verhindern.

Denn man kann das noch verhindern.

Man kann mit Gott reden.

Aber wenn diese Leute nichts dagegen unternehmen, dass Nebukadnezar der Herrscher über sämtliche Teile des Gottesdienstes wird, dann wird es genauso kommen.

Aber die einzige Art, das zu verhindern, dass der Teufel noch mehr Macht bekommt in der Gemeinde und in meinem Glauben, ist beten.

Konspirative Treffen mit anderen Gegnern des Bösen bringen da nichts, und den Teufel mit seinen eigenen Waffen zu besiegen, ist nicht möglich.

Wirklich heilige Leute könnten das verhindern, dass Nebukadnezar bestimmen kann, inwieweit wir Gott anbeten können.

Wirklich heilige Leute könnten verhindern, dass der Teufel Einfluss bekommt auf jeden Bereich des Glaubens und der Beziehung zu Gott.

Was man nicht verhindern kann, ist, dass der Teufel im Glauben und in der Anbetung der Gemeinde und des Einzelnen immer mal wieder mitmischt.

Die ganzen Aufrufe im Neuen Testament, dass man wachsam sein soll, stehen da ja nicht, weil es keine Gefahr gibt.

Letzte Anwendung

Was Jeremia 27 also sagen will, ist, dass die schwierigen Umstände, unter denen wir leben müssen, Absicht sind.

Ein unter paradiesischen Umständen praktizierter Glaube ist nämlich keiner.

Ein Glaube, der keine Schwierigkeiten überwinden kann, ist wertlos.

Unter paradiesischen Umständen glauben kann jeder.

Oder nein: Da funktioniert es gar nicht.

Die Botschaft an die Israeliten ist: Ihr müsst mit Nebukadnezar leben, und ihr müsst euren Glauben und eure Beziehung zu Gott unter diesen Umständen leben.

Denn, nebenbei bemerkt: Unter idealen Umständen habt ihr es nicht gekonnt. Als es keine Bedrohung und keine Unterdrückung in Israel gab, hat es überhaupt nicht funktioniert.

Folglich kann sich auch niemand hinstellen und sagen: Nebukadnezar und die herrschenden Umstände sind Hindernisse für meinen Glauben.

Nein, sind sie nicht, denn ohne Nebukadnezar war der Glaube ebenfalls kläglich und schwach.

Und wer sich bei Gott über die schwierigen Umstände beschwert, der hat es nicht verstanden.

Dankbar für Nebukadnezar

Und man kann es selbstverständlich verhindern, dass der Teufel Macht über meinen ganzen Glauben kriegt oder am Ende die ganze Gemeinde steuert.

Die Leute, bei denen wirklich das Wort Gottes ist, die können das verhindern.

Aber es geht nicht durch konspirative Zusammenarbeit mit den Heiden.

Es geht durch Beten, es geht durch Reden mit Gott. Man kann Gott umstimmen. Wenn man kann.

Letztlich sind der Teufel und das Böse die besten Helfer für unseren Glauben.

Ohne Hindernisse würde man Gott nicht brauchen, und ohne Schwierigkeiten würde Glaube nicht wachsen.

Wie schon Paulus sagte: Denen, die Gott lieben, muss alles zum Vorteil dienen. Sogar Nebukadnezar, sogar das Böse.