Jesaja 51,12-16 – einer weniger im neuen Reich
Falls Sie den Anfang des Kapitels nicht gelesen haben:
Es geht in den ersten 8 Versen von Jesaja 51 darum, dass das Heil Gottes und die Gerechtigkeit Gottes weder in Palästina noch auf einem bestimmten Planeten verwurzelt sind, sondern im Himmel.
Darum sind diese Dinge auch unverwüstlich. Sie halten ewig. Weil sie von göttlicher Natur sind und nicht an den Gegebenheiten unseres Universums hängen.
Und weil wir es gerne praktisch mögen, folgte dann noch eine Handlungsanweisung. Allerdings nur für die 100%igen, die Freaks, die Betschwestern, also die frommen Radikalinskis.
Und an diese extremen Menschen ergeht die Anordnung, sich nicht zur fürchten vor denen, die den Glauben der 100%igen lächerlich machen oder die ansonsten gegen ihre eigenen Leute vorgehen, weil sie deren Glaube stört.
Das sah der Text tatsächlich als die größte Gefahr für die Freaks, dass die einknicken vor denen, die der Teufel schickt, um die Freaks fertig zu machen.
Die größte Gefahr für die Absoluten waren nicht Krankheiten, wilde Tiere, Unwetter, Erdbeben oder Unfälle.
Denn wer tatsächlich an dem ewigen Heil und der göttlichen Gerechtigkeit mitarbeitet, die größer und bedeutender sind als alle Planeten und Galaxien, der wird gefährlich für den Teufel.
Und der hat dann eben nicht nur Tante Gertrud gegen sich, sondern einen Teil der jenseitigen Welt.
Die Fortsetzung ab Vers 12
Ab Vers 12 geht es nun darum, dass Gott sein Reich bauen will.
Das geht aber nur mit Menschen.
Davon wird zumindest hier ausgegangen. Auf die Engel oder andere himmlische Wesen wird hier nicht gebaut. Offenbar ist der Mensch unverzichtbar.
Es kommt aber noch dezidierter:
Das neue Reich kann nur gebaut werden mit Menschen, die eine Gemeinde sind.
Hier, lange vor Jesus: Die das Volk Gottes sind.
Gott kann oder will sein Reich nicht bauen mit Menschen, die nicht zu ihm gehören.
Und so wird jetzt die Gemeinde angeredet.
Die Qualität der Gemeinde (oder ihrer Mitglieder)
Gott kann sein Reich nicht mit Menschen jeder Qualität bauen.
Damit Gott einen Menschen oder eine Gemeinde gebrauchen kann, brauchen diese Menschen oder die Gemeinde bestimmte Eigenschaften.
Und so macht Gott jetzt einen Gegensatz auf: Jesaja 51,12
12Ich, ich bin es, der euch tröstet. Wer bist du, dass du dich vor dem Menschen fürchtest, der hinstirbt, und vor dem Menschenkind, das wie Gras dahingegeben wird,
Gott betont mit Nachdruck, dass er, jawohl, er es ist, der die Gemeinde tröstet.
Und was glaubt die Gemeinde eigentlich, wer sie ist, dass sie sich einfach darüber hinwegsetzen kann?
Und eigentlich fragt Gott hier: „Bist Du möglicherweise normal?“
Denn natürlich ist es das Normale, dass Menschen sich vor Menschen fürchten.
Vor Tieren und Unwetter auch, aber hier geht es immer noch darum, dass die radikalen Gläubigen bedroht werden. Und der Teufel schickt in der Regel keine Mosquitos, sondern der schickt Menschen.
Aber Gott ist hier geradezu entrüstet darüber, dass die Gläubigen sich vor Menschen fürchten.
Andere Stellen gegen die Angst
Natürlich ist das nicht neu, dass Gott die Angst vor Menschen bei Gläubigen nicht ausstehen kann. Paulus hat dem Timotheus schon geschrieben, dass Gott uns keinen Geist der Furchtsamkeit gegeben hat, sondern der Kraft und der Liebe und der Zucht (2.Tim 1,7).
Und Petrus schrieb, dass Kinder Abrahams dadurch gekennzeichnet sind, dass sie keinerlei Schrecken fürchten (1.Pe 3,6).
Jesus hat sich wie Petrus ausdrücklich gegen die Sorgen gewandt, die eine Form der Zukunftsangst sind, und als die Jünger bei hohem Seegang das Muffensausen kriegten, fragte sie Jesus ganz lapidar, warum sie so furchtsam seien, ob sie denn keinen Glauben hätten (Mk 4,40).
Und laut Johannes hat Jesus den Jüngern mal gesagt: „In der Welt habt ihr Bedrängnis, aber siehe, ich habe die Welt überwunden“ (Jh 16,33). Und das will ja auch nicht sagen: „Habt weiter Angst in der Bedrängnis und ignoriert die Tatsache, dass ich die Welt besiegt haben.“
Die Beleidigung Gottes
Zusammengefasst: Angst ist etwas, das Gott beleidigt. So geht der Text auch weiter:
13und dass du den HERRN vergisst, der dich macht, der den Himmel ausspannt und die Grundmauern der Erde legt, und dass du dich beständig, den ganzen Tag, vor dem Zorn des Bedrängers fürchtest, wenn er zielt, um dich zu vernichten? Wo ist denn der Zorn des Bedrängers?
Ja, wo ist er denn? De facto sollte er keinerlei relevante Wirkung entfalten.
Also der Bedränger wird schon Zorn haben und ihn auch zeigen, aber dieser Zorn sollte kein Ergebnis hervorbringen.
Denn wenn der Zorn des Bedrängers tatsächlich ein Ergebnis zum Nachteil der Gläubigen hervorbringt, dann war der Bedränger stärker als Gott. Was ja nun irgendwie nicht sein kann.
Das sehen wir auch in der biblischen Geschichte: Wenn Gott nicht will,
· dann kann der Pharao nichts ausrichten,
· dann haben Ahab und Isebel kein Mittel gegen Elia
· dann ist Jeremias Arbeit nicht zu verhindern
· dann ist es nutzlos, Daniel in die Löwengrube zu werfen oder die Männer in den großen Ofen
· dann bringt es nichts, den Sohn Gottes umzubringen. Gott weckt den wieder auf. Das Reich Gottes kann der Bedränger nicht verhindern.
Es geht Gott hier dann letztlich um das Bild, das man von Gott hat.
Und man kann sich natürlich mal fragen: Woher habe ich dieses Bild von Gott, dass er mich letztlich in Untergang und Elend fallen lässt?
Woher kommt es, dass man ständig Angst hat, also offenbar Gottes Zusagen nicht traut?
Revidierung des Gottesbildes
Nun bewährt sich Glaube natürlich nur, wenn die Zeiten schwierig sind.
Man braucht keinen Glauben an Gott, um mit Chips bei funktionierender Heizung auf dem Sofa zu sitzen.
Und so ist auch hier, als Jesaja diesen Text schreibt, die Lage recht unerfreulich. Aber der Glaube an Gott verlangt eben die Zuversicht, dass die schwierige Lage nicht in den Untergang führt, sondern in die Freiheit.
Darum jetzt also diese Zusage über die Zukunft der schwierigen Zeiten:
14Der in Fesseln Gekrümmte wird bald losgelassen werden und wird nicht hinsterben ins Grab, und sein Brot wird ihm nicht mangeln.
Die im Dunkeln sitzen, sollen also ein Licht sehen, und die Gefangenen sollen freigelassen werden.
Jesus hat das gleiche Programm auch, aber natürlich kennen wir das schon von David im Psalm 23 und von der Witwe mit der Ölkaraffe und der Mehlschüssel. Und von Wachteln und Manna und Wasser aus dem Felsen.
Aber natürlich kann man immer noch Zweifel haben. Denn die Lösung liegt in der Zukunft, und die Zukunft kennt ja niemand, und warum sollte ich der Zukunft positiv und erwartungsvoll entgegen sehen, wenn ich in der Zeitung und in der Tagesschau und in allen anderen Medien gezeigt kriege, dass es jede Menge Gründe gibt, nicht an eine gute Zukunft zu glauben?
Nun, hier ist der Grund:
15Denn ich bin der HERR, dein Gott, der das Meer erregt, dass seine Wogen brausen, HERR der Heerscharen ist sein Name. –
Das Argument ist nicht Liebe.
Das Argument ist Macht.
Denn die Frage, ob diese Leute für Gott überhaupt wichtig sind, wird eigentlich dadurch als geklärt angesehen, dass Gott sich an diese Leute wendet.
Dass er sie anspricht.
Das Zusammengehören von Gott und diesem Volk ist keine Frage, die hier diskutiert werden muss.
Dass Gott sich für diese Gruppe entschieden hat, wird als Tatsache vorausgesetzt.
Die Funktion des Volkes in Gottes Plan
Wir stehen ja immer noch in dem Zusammenhang, dass Gott sich sehr deutlich darüber beschwert, dass das Volk Angst vor dem Bedränger hat.
Und jetzt beschreibt Gott, warum das Mist ist, wenn die Gläubigen Angst haben vor dem Bedränger.
16Und ich habe meine Worte in deinen Mund gelegt und dich bedeckt mit dem Schatten meiner Hand, um den Himmel wie ein Zelt aufzuschlagen und die Grundmauern der Erde zu legen und zu Zion zu sagen: Mein Volk bist du!
Das Wort Gottes hat ja ein Problem: Es muss irgendwie unter die Leute.
Auf die Erde.
Und für dieses Vorhaben hat Gott nun seine Gemeinde ausgewählt.
Wen sonst.
Die Gemeinde besitzt das Wort Gottes.
Da ist es dann natürlich dumm, wenn die Gemeinde ständig Angst vor dem Bedränger hat.
Darum sagt Gott nun nochmal: Er hat ihnen nicht nur das Wort Gottes gegeben, sondern die Gemeinde auch bedeckt mit dem Schatten seiner Hand.
Das ist recht hübsch ausgedrückt. Aber wenn der Schatten der Hand die Gemeinde bedeckt, dann kann die Hand selbst ja nicht so furchtbar weit weg sein.
Und das waren offenbar von Anfang an zusammen gehörende Programmteile: Das Wort Gottes im Besitz der Gemeinde und der Schutz Gottes für die Gemeinde durch seine Hand.
Denn natürlich würde der Bedränger versuchen, die Gemeinde zum Schweigen zu bringen. Man muss die schon schützen.
Falsche Chronologie
Nun könnte man natürlich sagen, dass Gott sein Wort doch auch anders in die Welt bringen könnte.
Warum muss er es der Gemeinde geben, die sich beständig vor dem Zorn des Bedrängers fürchtet und bei der das Wort Gottes dann doch schlecht aufgehoben ist.
Die Frage stellt sich schon allein deshalb, weil die Gemeinde selbst dieses Wort nicht glaubt.
Wenn es also nur darum ginge, die Welt mit Gottes Wort zu beschallen, dann hätte Gott wirklich eine andere Methode suchen sollen.
Aber Gott wollte ja
· den Himmel wie ein Zelt aufschlagen
· die Grundmauern der Erde legen
· und zu Zion sagen, dass es Gottes Volk ist.
Und um das zu machen, hat Gott der Gemeinde das Wort Gottes in den Mund gelegt.
Da zuckt dann manch einer zusammen, weil hier offensichtlich die Zeiten durcheinander geraten sind. Denn hier wird erst der Gemeinde das Wort anvertraut, und danach werden erst Himmel und Erde geschaffen.
Und einige Bibeln haben das dann in ihrem Bemühen, dem Leser möglichst wenig Unverständliches zu bieten, daraus gemacht Jesaja 51,16 (NeÜ)
16Meine Worte gab ich in deinen Mund, und mit dem Schatten meiner Hand hüllte ich dich ein, als ich den Himmel ausspannte und die Erde gründete, als ich zu Zion sagte: ‚Du bist mein Volk.‘ “
Gefunden habe ich diese angebliche Verbesserung in der Einheitsübersetzung und in der Neuen evangelistischen Übersetzung. Aber alle Kommentare sagen, dass die scheinbar falsche Reihenfolge die richtige ist.
Denn wir sind hier beim Propheten Jesaja, und wir sind relativ nahe am Ende.
Und Jesaja endet damit, dass es eine neue Erde und einen neuen Himmel geben wird. Was wir übrigens andersherum schon in Vers 6 hatten, wo das Heil und die Gerechtigkeit Gottes bestehen bleibt, selbst wenn der alte Himmel und die alte Erde ihrer Existenz beraubt werden.
Der größere Plan
Die zeitliche Reihenfolge in Vers 16 ist offensichtlich falsch, weil Gott damit, dass er sein Wort in den Mund der Gemeinde legte, mehr wollte also nur das Universum beschallen.
Das Komplexe an dieser Sache ist, dass alle Schöpfung durch Gott mittels seines Wortes geschieht.
Gott ist kein Zauberer, der ein paar Flüssigkeiten zusammenschüttet, und dann macht es „puff“, und wir haben eine neue Erde.
Auch die neue Schöpfung wird durch das Wort Gottes erschaffen.
Und das läuft ja längst. Mit Jesu Auferstehung ist das losgegangen. Jesus ist der Erstgeborene der neuen Schöpfung.
Das Wort, das den einzelnen Menschen in diese neue Schöpfung verwandelt, hat die Gemeinde. Sie hat es als ganz simples gedrucktes Buch, sie hat es genauso durch Jesus selbst, der das Wort Gottes ist.
Das Unpassende
Wenn nun die Gemeinde das Element ist, auf dem die neue Erde und der neue Himmel basieren, dann ist die Furcht der Gemeinde vor dem Bedränger sehr unpassend.
Denn das neue Reich soll ja schön sein.
Ein Friedensreich.
Paulus definiert: Römer 14,17
17Denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude im Heiligen Geist.
Wenn die Gläubigen, die als Einzige das Wort für die neue Schöpfung haben, dann aber so tun, als wäre die Zukunft Gefahr und Bedrohung und Ungewissheit und Deprimiertsein und Hoffnungslosigkeit, dann besitzen die das Wort Gottes von der neuen Welt natürlich vergebens.
Wenn die Gläubigen sich so verhalten, als sei der Teufel noch gar nicht besiegt, sondern könne ihnen jederzeit Verderben und Niedergang und furchtbares Elend servieren, dann brauchen sie auch nicht über das wunderschöne Gottesreich reden.
Sie glauben ja offensichtlich nicht dran.
Und darum regt sich Gott ab Vers 12 so auf.
Weil das Verhalten der Leute überhaupt nicht zu der Qualität der neuen Schöpfung passt.
Und die neue Welt muss ja eine Welt ohne die Macht des Bedrängers sein. Sonst lohnt sie sich ja nicht. Wenn der Bedränger nicht raus ist, dann kann man sich die neue Welt sparen.
Was dieser Abschnitt will
Das ist also, was Gott mit diesem Abschnitt will: Darauf hinweisen, dass die neue Erde nur funktioniert, wenn die Gläubigen sich entsprechend der Qualität dieses neuen Reiches benehmen.
Denn wenn durch das Verhalten der Gläubigen der Eindruck entsteht, dass die selber nicht dran glauben, dann können sie nicht von anderen erwarten, dass die das Wort Gottes dann glauben sollen.
Und wenn keiner dran glaubt, kann das Reich Gottes nicht funktionieren.