Klagelieder, Kapitel 1

Im ersten Lied der Klagelieder geht es um die Stadt Jerusalem, die in der zweiten Hälfte des Liedes auch öfter selbst zu Wort kommt.

Jerusalem war eigentlich gedacht als die Braut Gottes, die Geliebte Gottes. Die also ein inniges Liebesverhältnis zu Gott hat und sich nur ihm hingibt. Das Lied berichtet nun aber, dass Jerusalem sich allen möglichen anderen Kräften und Einflüssen hingegeben hat und sich Schutz und Hilfe erhofft hatte von den Ägyptern und den Babyloniern und von einer Koalition von kleineren Königreichen. Sie ist Gott untreu geworden, und darum hat Gott sie verlassen.

Und so beschreibt sie sich jetzt: Völlig schutzlos und verlassen, und tatsächlich allen anderen Kräften ausgeliefert – also im Grunde das, was sie die ganze Zeit gewollt hat, nämlich unabhängig von Gott sein und sich zu binden an andere Mächte und Einflüsse.

Als Geliebte Gottes hätte Jerusalem Königin sein sollen und herrschen sollen. Das war unter David und Salomo auch so und zwischendurch, wenn ein gläubiger König herrschte, auch. Aber jetzt ist sie keine Königin mehr, sondern ist auf dem niedrigsten Stand, der möglich ist. Denn das königliche, das sie hatte und wegen dem die anderen Völker gerne mit ihr zu tun hatten, war von Gott. Aber Gott war weggegangen, und nun stand die Gemeinde ohne ihre königlichen Kleider da und war einfach nur niedrig und peinlich.