Das Buch des Predigers: Die Unfreiheiten

Der Prediger geht davon aus, dass alles Bemühen des Menschen letztlich umsonst ist. Es ist nichtig. Sinnlos.

Er meint dabei nicht, dass es sinnlos ist, die Spülmaschine einzuschalten. Wenn man sauberes Geschirr haben will, ist das durchaus sinnvoll.

Das Ziel des Predigers ist nicht sauberes Geschirr, sondern ein glückliches Leben.

Und wenn man ein glückliches Leben hat, dann braucht man dazu folgendes:

  • Die Welt besser machen. Das ist eine Form von „sinnvoll“, denn wenn die Welt durch mein Leben schlechter wird, werden die meisten das als sinnloses Leben verbuchen.

  • Dauerhaftes bewirken oder erschaffen. Also sinnvoll tätig sein in einem höheren Maß als nur dass das Geschirr sauber wird. Etwas bewirken, das bleibt.

  • Die Regeln verstehen, nach denen diese Welt funktioniert, um sich in der Welt angemessen verhalten zu können.

Diese drei Punkte gehören zusammen, denn wer die Welt verbessern will, muss dazu verstehen, wie sie funktioniert. Man muss wissen, an welcher Schraube man drehen muss.

Wer die Welt verbessern will, will es dauerhaft machen. Niemand malt mit viel Liebe und viel teurer Farbe ein schönes Bild auf eine Wand, wenn er weiß, dass die Wand übermorgen abgerissen wird.

Woher nimmt er die Definition für glückliches Leben?

Der Prediger setzt voraus, dass es Gott gibt und dass wir, die Leser, mit Gott in Verbindung stehen oder zu Gott gehören.Prediger

Dass die Ungläubigen und die Gottlosen mit der Weltverbesserung nicht weiterkommen, ist das Normale. Aber wir haben doch Gott! Wir müssten doch die Welt besser machen können!

Dass die Ungläubigen und die Gottlosen nicht verstehen, wie die Welt funktioniert, das erwartet man. Wie sollen sie die Welt verstehen, wenn sie den Erfinder der Welt für nicht vorhanden erklären? Da fehlt ja die Grundlage zum Verstehen.

Aber wir haben doch Gott! Wir müssten doch rauskriegen können, wie die von Gott geschaffene Welt funktioniert. Und dabei nicht: Wie funktioniert die Schwerkraft. Sondern wie funktioniert das Glück und die Gerechtigkeit und das Gute.

Dass die Ungläubigen und die Gottlosen nichts Dauerhaftes hinbekommen, das kann man nachvollziehen. Aber wir haben Beziehung zum Ewigen!

Ein glückliches Leben ist für den Prediger ein Leben, in dem wir wahrhaft Gutes tun können, welches auch Bestand hat, und in dem wir nicht ständig von unverständlichen Wendungen der Welt überrascht werden, sondern planvoll handeln können.

Und der Prediger sagt 12 Kapitel lang: Das werdet ihr nicht hinbekommen. Das geht nicht.

All Euer Bemühen, das Gute zu tun, ist für die Katz.

All Euer Bemühen, Dauerhaftes zu bewirken, ist für den Eimer.

All Euer Bemühen, die Welt verstehen zu wollen, ist sinnlos.

Und das ganze Buch des Predigers ist eine lange Begründung, warum das alles nicht funktionieren wird, und was man statt dessen tun sollte.

Erste Ursache: Die fehlende Freiheit

Die erste Ursache, warum es nicht funktioniert, ist laut dem Prediger die fehlende Freiheit des Menschen. (Dieser Artikel behandelt nur diese erste Ursache. Er würde sonst zu lang.)

Es gibt ja schon endlose Diskussionen über den freien Willen und solche Sachen. Der Prediger hat ja als Ziel das glückliche Leben im Auge und die Dinge, die dazu gehören. Und für ein glückliches Leben fehlen dem Menschen nach seiner Meinung die folgenden Freiheiten:

1. Man steckt in einer Kette von Wiederholungen

Das Leben ist eine einzige Kette von Wiederholungen. Es fängt alles immer wieder von vorne an, und es folgt alles immer den gleichen Regeln.

Das gilt natürlich für das einzelne menschliche Leben. Jeder von uns wiederholt hier nur das, was Milliarden von Menschen schon vor uns gemacht haben: wir werden geboren, wir haben mit 3 Jahren eine Trotzphase, wir werden erwachsen, wir kriegen Kinder, wir werden langsam älter und verändern uns auch körperlich, und am Ende sterben wir.

Soweit ist es einleuchtend.

Aber auch über das Elektro-Auto von Tesla sagt der Autor, dass es nichts Neues unter der Sonne ist. Denn ob man nun das Rad erfunden hat und dann der erste Mensch mit einer Schubkarre rumfuhr, ob man die Pferdekutsche erfand oder die dampfgetriebene Eisenbahn oder das benzingetriebene Auto oder das elektrisch betriebene autonome Auto, der Vorgang ist immer der gleiche, und es wird jedesmal nichts besser.

Die Ungerechtigkeit verlagert sich vielleicht von einem reichen Bauern zu einem reichen Autokonzern, aber die Welt wird nicht gerechter.

Die Depression und die Verzweiflung verlagern sich vielleicht vom Sklaven, der den Pflug ziehen muss zu dem LKW-Fahrer, der jahrelang alleine über Autobahnen fahren muss, aber die Verzweiflung wird nicht weniger.

Die ganze Welt ist einem ewigen Kreislauf von Wiederholungen unterworfen, und den können Sie nicht unterbrechen. Das ist Ihre erste Unfreiheit: Sie sind gefangen in Wiederholungen.

2. Die Welt funktioniert in Zyklen

Die zweite Unfreiheit des Menschen ist, dass er den Zyklen der Welt unterworfen ist.

Es gibt eine Zeit zum Steine werfen, da macht Steine einsammeln keinen Sinn. Wenn Sie es trotzdem versuchen, werden Sie mürbe dabei.

Dann gibt es eine Zeit zum Steine einsammeln, da sammeln die Steine sich geradezu von alleine. Da fallen Ihnen die Steine in die geöffneten Hände. In dieser Zeit macht Steine werfen keinen Sinn, denn die Steine sammeln sich schneller, als Sie werfen können.

Dummerweise kommt danach dann wieder die Zeit zum Steine werfen, und all Ihr Einsammeln diente nur dazu, dass die Partei, die immer werfen will, jetzt auch genug zum Werfen hat.

Es gibt eine Zeit, da läuft das Gute fast von alleine. Da braucht man sich nicht groß drum zu mühen. Und es gibt eine Zeit, da läuft das Gute überhaupt nicht. In dieser Zeit brauchen Sie sich auch nicht darum zu bemühen. Es sei denn, Sie wollen sich die Nerven ruinieren.

Alles, auch das Gute und die Gerechtigkeit und das Glück, sind Zyklen unterworfen. Dagegen ankämpfen zu wollen, ist ziemlich sinnlos.

3. Der Mensch unterscheidet sich nicht vom Vieh

Die dritte Unfreiheit des Menschen ist, dass er sich nicht vom Vieh unterscheidet.

Da werden die Evangelikalen jetzt natürlich aufkreischen, weil sie irgendwo gelesen haben, der Mensch sei nach dem Bilde Gottes geschaffen, und das könne man von der Kuh ja nun nicht sagen, aber der Prediger argumentiert hier recht gut.

Denn es gibt unter den Kühen kein funktionierendes Wiesengesetzbuch.

Es gibt unter den Katzen keine Gerechtigkeit. Es gibt Katzen, die sind sehr hübsch, und es gibt welche, die werden hässlich geboren.

Es gibt kluge Katzen und dumme, mutige und ängstliche, und darum gibt es Katzen, die immer genug zu fressen haben und die anderen, die immer nur das kriegen, was die anderen übrig gelassen haben.

Es gibt unter den Menschen keine Gerechtigkeit, und es wird sie niemals geben. Der Mensch hat nicht die Freiheit, Gerechtigkeit herzustellen oder Ungerechtigkeit zu beseitigen.

Die Reichen werden immer reicher, und die Armen werden immer ärmer. Das hat auch der Kommunismus nicht abstellen können. Die Datsche und den Trabi bekamen nicht alle.

Alle menschlichen Gesetze, die versuchen, Gerechtigkeit herzustellen, sind ein netter Versuch. Aber am Ende ist es dann doch so, dass es dem bösen Menschen gut geht und der gute Mensch furchtbar viel Elend hat.

Der Mensch besitzt die Freiheit nicht, Gerechtigkeit zu erschaffen.

Denn Gerechtigkeit ist einzig und alleine eine Sache Gottes. Das Schaffen von Gerechtigkeit steht nur Gott zu. Und damit die Menschen das kapieren, darum hat Gott den Menschen die Möglichkeit zur Gerechtigkeit niemals gegeben.

In dieser Hinsicht unterscheidet der Mensch sich nicht vom Vieh, denn das Vieh kann auch keine Gerechtigkeit herstellen.

4. Die Unfreiheit der mangelnden Weitsicht

UnfreiheitenDie vierte Unfreiheit des Menschen, die das wahrhaft Gute und eine glückliche Gestaltung des Leben unmöglich macht, ist die Unfähigkeit, in die Zukunft zu schauen.

Ob etwas wirklich gut ist, wissen wir ja erst, wenn wir das Ergebnis der Sache kennen. Wenn ich aber heute etwas mache, dann liegt das Ergebnis meines Handelns irgendwo in der Zukunft.

Darum haben wir uns angewöhnt, für Gutes und Böses irgendwelche moralischen Richtlinien zu erstellen. Und „gut“ ist eine Sache dann, wenn sie unseren moralischen Richtlinien entspricht, aber nicht dann, wenn sie wirklich gut ist. Denn wann eine Sache wirklich gut ist, können wir gar nicht wissen.

Weil wir nicht wissen, wie eine Sache ausgehen wird, müssen wir so oft sagen „das habe ich nicht gewollt“ oder „ich habe es doch gut gemeint“. Aber es war halt nicht gut.

Weil wir nicht in die Zukunft schauen können, darum können wir unser Glück nicht planen und das Gute nicht zutreffend bewerten.

Zu bestimmen, was das Gute ist, ist nur Gott möglich und steht darum nur Gott zu.

5. Die Unfreiheit der Prägung (6:10 + 9:1-6)

Der Mensch ist nicht frei, das Gute zu tun und die Welt zu verstehen, weil der Mensch festgelegt ist in seiner Prägung.

Ob ich einen Menschen, der gerade zum ersten Mal in mein Leben tritt, auf Anhieb sympathisch finde oder unsympathisch, kann ich nicht entscheiden. Das geschieht automatisch. Der Prediger sagt: „Das war schon vorher entschieden.“

Ob ich hochkomplexe Zusammenhänge verstehe, kann ich nicht entscheiden. Manche haben so ein Gehirn, und manche nicht. Ob ich gut Schach spielen kann, liegt nicht in meiner Entscheidung.

Ob ich prinzipiell mutig bin und darum das Gute anpacken kann, auch wenn es gefährlich oder schwierig erscheint, oder ob ich prinzipiell ängstlich bin und das Gute immer erst tue, wenn es eigentlich jeder könnte, kann ich nicht entscheiden. Meine Eltern und Tante Gertrud und der Krieg haben mich so geprägt, wie ich nun mal bin. Mutig oder ängstlich, introvertiert oder extrovertiert, kreativ oder regeltreu.

Und diese Prägung, wegen der ich nie Wellenreiten gelernt habe und nie mit Bären gekämpft habe und nie Mathematik studieren konnte, die kann ich auch nicht ändern. Ich würde ja meine Persönlichkeit damit zerstören.

Alle Versuche, hier gegen das Schicksal anzukämpfen, wären völlig sinnlos.

6. Der Mensch ist sterblich.

Und dann ist der Mensch auch noch zum Sterben bestimmt. Das ist die letzte Unfreiheit des Menschen, die ihm das Handeln unmöglich macht.

Ich tue etwas Gutes, vielleicht erschaffe ich eine Demokratie oder baue eine wunderbare Kirche, und dann sterbe ich, und die Demokratie fällt in die Hände von Radikalen und die Kirche wird an die Mormonen verkauft. Dann ist das Gute, das ich getan habe, als hätte ich es nie getan.

Ich kann nichts Dauerhaftes schaffen, denn spätestens mit meinem Tod verliere ich die Macht darüber, und was mein Nachfolger daraus macht, muss mit dem, was ich wollte, nichts zu tun haben.

Ich habe die Welt und das Glück verstanden, und dann sterbe ich, und die nach mir haben einen völlig anderen Erklärungsansatz für die Welt, vielleicht den völkischen oder den marktkapitalistischen oder den buddhistischen.

Und meine wunderbaren Einsichten und meine exquisiten Erkenntnisse landen für immer auf der Müllhalde des ewigen Vergessens.

Schlusswort

Das waren jetzt nur die mangelnden Freiheiten des Menschen, welche die Gerechtigkeit und das Glück verhindern und das Leben so rätselhaft machen.

Der Prediger kennt noch viel mehr Stolpersteine, die Gott in die Welt eingebaut hat, damit er ganz allein der Herr ist und der Mensch niemals eine Chance hat, sich über Gott zu erheben.

Die Konsequenz, die der Prediger zieht, besteht aus zweierlei:

  • Fokussiere Sie sich auf Gott. Er ist der Einzige, der das Gute und die Gerechtigkeit und das Ewige darf und kann. Darum sagt Jesus (Johannes 5,19) „Der Sohn kann nichts von sich selbst tun, außer was er den Vater tun sieht; denn was der tut, das tut ebenso auch der Sohn.“ Schauen Sie, was Gott gerade macht, und machen Sie das dann auch.

    • Es nützen auch keine Regeln. Denn was in einer Situation zum Guten führt, kann in der nächsten Situation völlig falsch sein.

    • Gott ist der einzige, der völlig frei ist und darum alles Gute tun kann, jede Gerechtigkeit herstellen kann, die ganze Welt erklären kann und ewige Dinge erschaffen kann.

  • Freuen Sie sich an dem, was Sie haben, und genießen Sie es. Sie können natürlich jammern, Ihr Glück sei zu klein, und nach der Gerechtigkeit würden Ihnen viel wunderbarere Dinge zustehen, und womit habe ich das verdient?

    • Die Wahrheit ist aber, dass Gott gut ist und voller Liebe und Wärme und Ihnen mit Absicht die Macht genommen hat. So beschränkt, wie es jetzt ist, so ist es gut.