Psalm 19 - Kurzversion

Es geht los, wie es so oft losgeht, nämlich mit einem Hinweis darauf, dass das hier kein vom Herzen kommender Tagebucheintrag von David ist, sondern Lyrik, extra für den Gottesdienst geschrieben. Es ist die Form, mit der man in früheren Zeiten Wissenschaft vermittelt hat. Psalm 19,1:

1 Dem Chorleiter. Ein Psalm. Von David.

Der erste Abschnitt geht über die Zeit.

Die Zeit, welche den Menschen beherrscht, und zwar weltweit.

Die Zeit, der absolut niemand entkommen kann.

Und damit ist die Zeit das gewaltigste Werk innerhalb der Schöpfung. (Im Schöpfungsbericht wird die Erschaffung der Zeit in 1.Mose 1,14 erwähnt.)

Dem Licht könnte man entkommen: Man versteckt sich in einer dunklen Höhle.

Dem Löwen könnte man entkommen: Man muss halt schneller laufen oder besser klettern können als er.

Aber der Zeit entkommt niemand. Sie herrscht über uns wie sonst nur noch die Materie. Und damit ist die Zeit die größte Dokumentation der Macht Gottes, und dieser Macht Gottes sind alle Menschen immer überall unterworfen.

Der erste Abschnitt des Psalms beschreibt also einen Tag und eine Nacht – der kürzeste Zeitabschnitt, der durch die Sonne definiert ist. Und man beachte: Gott ist dritte Person.

2 Der Himmel erzählt die Herrlichkeit Gottes, und das Himmelsgewölbe verkündet seiner Hände Werk.

3 Ein Tag sprudelt dem anderen Kunde zu, und eine Nacht meldet der anderen Kenntnis —

4 ohne Rede und ohne Worte, mit unhörbarer Stimme.

5 Ihre Messschnur geht aus über die ganze Erde und bis an das Ende der Welt ihre Sprache. Dort hat er der Sonne ein Zelt gesetzt.

6 Und sie, wie ein Bräutigam aus seinem Gemach tritt sie hervor; sie freut sich wie ein Held, die Bahn zu durchlaufen.

7 Vom Ende des Himmels geht sie aus und läuft um bis an sein Ende; nichts ist vor ihrer Glut verborgen.

Gottes Beziehung zur gesamten Menschheit besteht also darin, dass er mittels der mächtigen Zeit alle Menschen seine Herrlichkeit erkennen lässt.

Von Gott selber ist hier übrigens nichts zu sehen.

Zweiter Abschnitt: Das Gesetz

Der Gemeinde begegnet Gott durch das Gesetz.

Während die Zeit nur dadurch „gut“ ist, dass sie die Herrlichkeit Gottes verkündet, und ihre Herrschaft über die Menschheit ansonsten unerbittlich ist, begegnet Gott der Gemeinde mit weniger brutalen Methoden.

Gott begegnet der Gemeinde durch sein aufgeschriebenes Wort. Und das ist in jeder Hinsicht gut und schön und warmherzig und begehrenswert und ach, am besten liest man es einfach und beachtet dabei, dass Gott in der dritten Person ist.

8 Das Gesetz des HERRN ist vollkommen und erquickt die Seele; das Zeugnis des HERRN ist zuverlässig und macht den Einfältigen weise.

9 Die Vorschriften des HERRN sind richtig und erfreuen das Herz; das Gebot des HERRN ist lauter und macht die Augen hell.Psalm 19 Kurzversion

10 Die Furcht des HERRN ist rein und besteht in Ewigkeit. Die Rechtsbestimmungen des HERRN sind Wahrheit, sie sind gerecht allesamt;

11 sie, die köstlicher sind als Gold, ja viel gediegenes Gold, und süßer als Honig und Wabenhonig.

Gott begegnet der Gemeinde durch etwas, das man lesen kann. Gott hat der Gemeinde etwas gegeben, was der Rest der Welt nicht hat.

Von Gott selbst ist hier übrigens nichts zu sehen.

Dritter Abschnitt:

Im dritten Abschnitt begegnet Gott dem einzelnen Gläubigen.

Und dem begegnet Gott jetzt unmittelbar. Nicht durch ein Mittel wie die Zeit oder das aufgeschriebene Gesetz.

Gott handelt jetzt direkt am gläubigen Menschen.

Und der Schwerpunkt dieses Handelns Gottes geht dahin, dass zwischen Gott und dem Gläubigen eine Harmonie hergestellt werden kann.

Gott könnte natürlich auch irgendwie anders am Menschen handeln: Gott könnte den Menschen von einer Krankheit heilen oder ihm ein paar Millionen Euro schenken oder ihn unglaublich gutaussehend und attraktiv machen.

Aber dem Autor dieses Psalms schien es wichtiger zu sein, dass zwischen Gott und dem einzelnen Menschen Harmonie herrscht. „Die Liebe“, würden man neutestamentlich sagen. Gott will mich so machen, dass ich ihm gefalle.

Während das Gesetz noch sagte, dass ich selbst mich so machen muss, dass ich Gott gefalle, sind wir hier jetzt auf einem völlig neuen Level: Gott macht mich so, dass ich ihm gefalle.

Und man beachte: Jetzt ist Gott in der zweiten Person. Jetzt ist er „du“.

12 Auch wird dein Knecht durch sie gewarnt; in ihrer Befolgung liegt großer Lohn.

13 Verirrungen — wer bemerkt sie? Von den verborgenen <Sünden> sprich mich frei!

14 Auch von Übermütigen halte deinen Knecht zurück; sie sollen nicht über mich herrschen! Dann bin ich tadellos und bin rein von schwerem Vergehen.

15 Lass die Reden meines Mundes und das Sinnen meines Herzens wohlgefällig vor dir sein, HERR, mein Fels und mein Erlöser!

Für den Gläubigen wird Gottes Herrlichkeit nicht durch die Macht der Zeit sichtbar und auch nicht durch die Qualität seines Gesetzes. Sondern dadurch, dass Gott alles so machen will, dass ich ihm gefalle.

Gott will mich. Nicht die Welt, nicht meine Gemeinde. Sondern erst einmal mich. Vielleicht will er auch den anderen. Aber es ist persönlich und individuell, nicht strukturell.

Dann liegt die Herrlichkeit Gottes viel weniger in großen Machtsystemen wie der Zeit, sondern die Herrlichkeit Gottes liegt im Kleinen. Wo doch ein Menschenleben so wenig ist und so schnell kaputt geht, erzählt trotzdem mein Leben die Herrlichkeit Gottes.

Am Anfang hatten wir, dass die Himmel die Herrlichkeit Gottes erzählen. Aber in Wahrheit ist es so, dass die Herrlichkeit Gottes darin sichtbar wird, dass er alles dafür tut, dass ich ihm gefalle.