Psalm 66 Sonnenschein und Ersatzreifen.

Ist ja jetzt modern. In der Kunst. Nennt man „zeitgenössisch“.

Dass man ein Gedicht schreibt über den Sonnenschein. Und in dem Gedicht preist man die Kraft des Sonnenscheins, und wie er alles beleuchtet, und dass er die Photosynthese möglich macht und lebensspendend ist und das Herz und die Seele aufleben lässt. Und dann beendet man das Gedicht mit einigen Zeilen über den Ersatzreifen, den man hinten im Auto unter dem Boden des Kofferraumes hat.

Und folglich, weil das so modern ist, kommt man dann auf die Idee, diese Art der Lyrik auch in den Psalmen finden zu wollen.

Würde man beim Psalm 66 auch hinbekommen.

Die ersten 12 Verse sprechen von der Gemeinde und immer in „wir“-Form.

Die letzten 8 Verse sprechen nur vom Autor und in der „ich“-Form.

Da kann man jetzt natürlich die Schablone zeitgenössischer Literatur drauflegen und behaupten, zwischen dem ersten und dem zweiten Teil bestände nur ein mystischer Zusammenhang, der aber mit real erfassbarer Zusammengehörigkeit nichts zu tun hat.

Kann man.

Damit erspart man sich die Mühe, herausfinden zu müssen, was der Autor eigentlich sagen wollte, als er den Psalm aus zwei so unterschiedlichen Teilen komponiert hat.

Wenn man allerdings herausbekommen möchte, was Gott hier deutlich machen will, dann lässt man den Unfug und kümmert sich darum, wie Teil 1 und Teil 2 des Psalms zusammenhängen.

Verantwortung für den ganzen Laden

Das Weltbild des Autors geht davon aus, dass die Gemeinde das Licht der Welt und das Salz der Erde ist.

Folglich hängt vom Wohlergehen der Gemeinde auch das Wohlergehen der Welt und das Wohlergehen des einzelnen Gemeindegliedes ab. Die Gemeinde ist sozusagen die Mitte zwischen der großen allgemeinen Masse der Menschen und dem einzelnen Gläubigen. Und der Zustand der Gemeinde strahlt in beide Richtungen aus.

Darum beginnt der Psalm in Vers 1 bis 4 mit einer Betrachtung der Auswirkungen von Gott auf die Welt. Und weil, wie wir nach der Lektüre des Psalms schon wissen, Gott der Gemeinde geholfen hat, darf die Welt ordentlich jubeln, denn die Lichtfunktion und die Salzfunktion sind wieder in Betrieb.

Von Vers 5 bis Vers 12 geht es darum, wie Gott mit der Gemeinde umgegangen ist.

Zuerst hat er sie – lang ist es her – aus Ägypten herausgeführt. Aber kürzlich ist Gott wohl arg hart mit der Gemeinde umgesprungen. Die Beschreibung lässt erkennen, dass dieser Zeitabschnitt gar nicht lustig war.

Nun konnte aber die Gemeinde im Alten Testament noch schlechter als Einheit handeln als die Gemeinde heute. Die Gemeinde heute sollte aufgrund der Wirkung des Heiligen Geistes zwar eigentlich durchaus als Einheit handeln können, aber in der Realität bekommt sie das recht selten hin.

Da also die Gemeinde als solche gegen die raue Behandlung durch Gott keine passenden Maßnahmen hat, geht der Fokus ab Vers 13 auf den Einzelnen. Auf jemanden, der stellvertretend für die Gemeinde handeln kann, der also „in den Riss treten“ kann, wie das Alte Testament das nennt. Der das fehlende gemeinsame Handeln der Gemeinde ersetzen kann.

Da dieser einzelne Jemand Gemeindeglied ist, geht es ihm schlecht, wenn es der Gemeinde schlecht geht, und es geht ihm gut, wenn es der Gemeinde gut geht.

Opfertiere als Indizien

Dass dieser Einzelne stellvertretend für die Gemeinde handelt, sieht man an der Menge der Opfertiere, die er Gott versprochen und dann auch gegeben hat.

Denn eine solche Menge an essbaren Vierbeinern ist für einen einzelnen Menschen unangemessen. Auch wenn dieser Mensch reich war, ist so etwas unpassend, denn es geht nicht, dass der Reiche mit einem ganzen Viehwaggon bei Gottes Tempel ankommt und mit seinem monumentalen Opfer protzt, und der Arme steht mit seiner Taube daneben und muss warten, bis endlich das ganze Großhandelskontingent des Reichen geopfert wurde. Opfer im Alten Bund wurden anders berechnet als unsere Einkommenssteuer: Nicht prozentual vom Einkommen, sondern pro schuldigem oder gesegnetem Menschen. Und da hat der Reiche gegenüber Gott nicht weniger Schuld und nicht weniger Dank als der Arme hat, sind unmäßige Opfer unpassend.

Falsche Tiere

Da es sich hier um ein Brandopfer handelt (was ebenfalls seltsam ist, denn man hätte ein Gelübdeopfer oder Dankopfer erwartet), sind die aufgezählten Tiere teilweise falsch.

Der Widder, den der Autor in Opferrauch verwandeln wollte, durfte als Brandopfer nur vom Hohepriestern, Stammesfürsten oder dem Volk als ganzem gebracht werden, nicht aber von einer Einzelperson.

Der Ziegenbock steht ebenfalls nur Stammesfürsten als Opfertier zu, und die haben dann natürlich für ihren ganzen Stamm geopfert und nicht für ihr Privatvergnügen.

Zusammenfassung

Aus dem gesamten Zusammenhang des Psalms wird somit klar, dass Gott die Gemeinde einer Prüfung unterzogen hat, und der Autor hat Gott versprochen, dass wenn Gott die Gemeinde die Prüfung bestehen lassen würde, würde er selbst stellvertretend für die Gemeinde Brandopfer als Zeichen der Hingabe der Gemeinde an Gott bringen.