Numeri 3, 39-48 – Festhalten am Eigentum

Zugegeben: Die Anfänge sind lange her. Dieser Artikel beschäftigt sich mit Zeugs, das ganz sicher älter ist als Sie.

Damals waren die Israeliten in Ägypten, und sie waren dort Sklaven, keine Freien.

Über die genauen arbeitsrechtlichen Bedingungen der Israeliten in Ägypten sind wir nicht informiert, aber man macht es sicher nicht falsch, wenn man es so beschreibt, dass die Israeliten Eigentum des Pharao waren. Vielleicht sind die Einzelheiten ein bisschen anders: Vielleicht waren die Israeliten Eigentum der Oberschicht oder Besitz bestimmter Unternehmer – aber in der Gesamtbetrachtung macht das keinen Unterschied.

Dann kam die Geschichte mit den 10 Plagen, und die letzte Plage war, dass Gott alle Erstgeborenen der Ägypter tötete, die Erstgeborenen der Israeliten aber verschonte.

Und daraus machte Gott jetzt eine rechtliche Konstruktion, indem er nämlich nicht sagte: „Ich habe alle Erstgeborenen Ägyptens getötet“, sondern indem er sagte: „Ich habe die Erstgeborenen der Israeliten nicht getötet.“

Die Folgerung daraus war, dass Gott es so darstellte, dass er die Erstgeborenen der Israeliten gerettet hat vor dem sicheren Tod.

Und daraus entwickelte Gott den Anspruch, dass die Erstgeborenen Israels ihm gehörten. Numeri 3,13

13Denn mein ist alle Erstgeburt: An dem Tag, da ich alle Erstgeburt im Land Ägypten schlug, habe ich alle Erstgeburt in Israel für mich geheiligt vom Menschen bis zum Vieh. Mir sollen sie gehören, mir, dem HERRN.

Wenn wir etwas retten würden, dann bekämen wir vielleicht Finderlohn oder so eine Lebensrettermedaille vom Bürgermeister. Gott hingegen verlangt alles. Vielleicht auch, weil seine Rettung umfassender ist als das, was bei einer von uns durchgeführten Rettung rauskommt.

Unterscheidung von Eigentumsbegriffen

Nun hatte Gott ja ohnehin schon den Bund mit Abraham und Jakob gemacht, und damit war der Eigentumsanspruch an das ganze Volk ohnehin gegeben.

Aber nun verlangte Gott, dass die Erstgeborenen ihm noch mehr gehörten als alle anderen Israeliten ohnehin.

Wir haben zwei unterschiedliche Stufen von Eigentum mit unterschiedlichen Konsequenzen für die betroffenen Menschen.

Verkomplizierung durch das Priestertum

Die ganze Sache wird dadurch komplizierter, dass für die Israeliten eigentlich ein Priestertum aller Gläubigen angedacht war, so wie wir das heute auf der evangelischen Seite des Christentums zumindest theoretisch auch verstehen. Exodus 19,5–6

5Und nun, wenn ihr willig auf meine Stimme hören und meinen Bund halten werdet, dann sollt ihr aus allen Völkern mein Eigentum sein; denn mir gehört die ganze Erde.

6Und ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und eine heilige Nation sein. Das sind die Worte, die du zu den Söhnen Israel reden sollst.

Dieses Priestertum aller Gläubigen scheiterte aber zum einen daran, dass Volk die Stimme Gottes nicht hören wollten. Die Stimme des Mose waren sie bereit zu hören. Exodus 20,19

19und sagten zu Mose: Rede du mit uns, dann wollen wir hören! Aber Gott soll nicht mit uns reden, damit wir nicht sterben.

Und Priester Gottes zu sein, ohne Gott befragen zu können, ist natürlich Quatsch. Das ist ja der Sinn von Priestern, dass sie einen direkten Zugang zu Gott haben. Schon daran scheiterte also das Konzept vom Priestertum aller Gläubigen.

Zum anderen scheiterte es daran, dass die Israeliten sehr schnell das goldene Kalb bauten. Damit war klar, dass man ein enger gefasstes System brauchte, damit Gott mit den Israeliten einigermaßen vernünftig umgehen konnte. Die Idee, dass alle Israeliten in gleicher Weise Zugang zu Gott bekamen, war nicht umsetzbar.

Günstig dastehende Erstgeborene

Nun hätte man eigentlich davon ausgehen können, dass die Erstgeborenen doch grad recht günstig dastehen.

Sie waren bereits für Gott geheiligt. Sie gehörten Gott bereits auf besondere Weise.

Wenn man nun das komplette Volk nicht zu Priestern machen kann, dann könnte man doch alle Erstgeborenen zu Leuten machen, denen der Umgang mit Gott obliegt. Wäre auch ganz praktisch, denn es gibt in jeder Familie mindestens einen Erstgeborenen, und so hätte dann jede Familie einen Beauftragten für den Kontakt mit Gott.

Diese Idee hatte Gott auch, aber er verwarf sie, weil die Erstgeborenen ja auch beteiligt gewesen waren, als man die Stimme Gottes nicht hören wollte und als man das goldene Kalb baute.

Andererseits: Die Erstgeborenen waren definitiv Gottes ganz besonderes Eigentum. Gott hatte sie über den Rechtsweg erworben: Indem er sie gerettet hatte, gehörten sie ihm.

Und die Rechtstreue ist ja eines der besonderen Kennzeichen Gottes. Die Gerechtigkeit Gottes besteht ja hauptsächlich daraus, dass Gott sich an das von ihm verkündete Recht hält.

Darum konnte Gott dieses Recht auf die Erstgeborenen nicht einfach aufgeben, nur weil die zu dumm waren für den Umgang mit Gott. Gott kann nicht einfach einen Menschen zu seinem Eigentum nehmen, und wenn der Mensch dann zu blöd ist, dann schickt Gott ihn zurück zu seinem vorigen Eigentümer.

Wir würden ja auch nicht wollen, dass Gott uns vom Teufel freikauft, und wenn wir dann zu blöd sind, dann schickt er uns zurück zum Teufel.

Substitution

Und so kam Gott auf eine andere Idee. In der zwar auch die Erstgeborenen mitspielten, aber doch anders: Numeri 3,40–41

40Und der HERR sprach zu Mose: Mustere alle männlichen Erstgeborenen der Söhne Israel von einem Monat an und darüber, und nimm die Zahl ihrer Namen auf!

41Und du sollst die Leviten für mich, den HERRN, nehmen anstelle aller Erstgeborenen unter den Söhnen Israel und das Vieh der Leviten anstelle alles Erstgeborenen unter dem Vieh der Söhne Israel.

Die Leviten hatten sich bei der Sache mit dem goldenen Kalb immer noch am besten von allen benommen. Sie hatten damit ein wenig die Sünde, die ihr Stammvater in Sichem begangen hat (Gen 34), wieder gut gemacht.

Noch dazu war Levi der Stamm, aus dem Mose stammte. Und so schaffte Gott es nun, den Fluch von Jakob über Levi (Gen 49,5-7 – wegen der Sache mit Sichem) in einen Segen zu verwandeln

Anstatt dass jetzt nämlich die Erstgeborenen zu Gottes besonderer Verfügung stehen mussten, mussten nun die Leviten diesen Job übernehmen.

Damit blieb der Fluch von Jakob zwar in Kraft, denn die Leviten wurden tatsächlich quer über Israel verteilt und bekamen kein eigenes Land, aber im Gegensatz zum Stamm Simeon, der an der Sache mit Sichem genauso beteiligt gewesen war, ging der Stamm Levi nicht unter.

Ging ja auch nicht, der Stamm Levi war ja nun besonderes Eigentum Gottes. Da steht der Untergang dann nicht auf dem Programm.

Es wird ordentlich gezählt

Gott nahm diese ganze Sache mit dem Eigentum so ernst, dass überhaupt nicht daran zu denken ist, dass hier eine rein formale Umschichtung der Pflichten vor Gott geschah. Es war also nicht so, dass man pauschal sagte, die Leviten übernehmen jetzt so ganz allgemein die Aufgaben der besonders Erwählten.

Gott nahm diesen Anspruch auf sein Eigentum so ernst, dass genau 1 zu 1 gezählt wurde.

Numeri 3,39

39Alle gemusterten Leviten, die Mose und Aaron nach dem Befehl des HERRN nach ihren Sippen musterten, alles Männliche von einem Monat an und darüber, war 22 000.

Numeri 3,42–43

42Und Mose musterte, wie der HERR es ihm geboten hatte, alle Erstgeborenen unter den Söhnen Israel.

43Und alle männlichen Erstgeborenen nach der Zahl der Namen, von einem Monat an und darüber, nach ihren Gemusterten, waren 22 273.

Die Rechnerei war bei weitem nicht so einfach, wie einem das erscheinen mag.

Denn die Erstgeborenen, die hier gezählt wurden und die durch die Leviten ersetzt werden sollten, waren nur diejenigen, die seit dem Passah in Ägypten geboren worden waren, also in den letzten 10 Monaten.

Die Argumentation Gottes war, dass diejenigen, die damals beim Passah dabei waren, schon geheiligt waren. Deren Heiligung konnte man jetzt nicht wieder abstellen und statt dessen den Leviten übertragen.

Wenn die Rechnung nicht stimmt

Nun ging die Rechnung am Ende bekanntermaßen nicht auf: 22.000 Leviten standen 22.273 Erstgeborene gegenüber.

Für 1% der Erstgeborenen gab es also keinen Leviten, der als Stellvertreter für diese Erstgeborenen auftreten konnten.

Nun ist Gott groß und reich und umfassend und in jeder Hinsicht universell. Da könnte man jetzt davon ausgehen, dass Gott über dieses eine Prozent hinwegsehen kann.

Gott ist ja auch in seiner Gnade so überströmend, warum sollte er dann wegen dieser 273 Erstgeborenen kleinlich sein?

Er sollte, weil Gott die Sache mit seinem Eigentum tatsächlich ernst nimmt. Wenn Gott jemanden nicht nur aus der Sklaverei der Sünde freigekauft hat, sondern ihn sogar vom Tod errettet hat, dann denkt Gott nicht im Traum daran, diesen Eigentumsanspruch aufzugeben. Und sei er nach menschlichen Ermessen noch so klein.

Folglich müssen die 273 überzähligen Erstgeborenen sich jetzt freikaufen: Numeri 3,46–48

46Und was den Loskauf der 273 betrifft: Die von den Erstgeborenen der Söhne Israel überzählig sind über die Zahl der Leviten hinaus,

47da sollst du je fünf Schekel für den Kopf nehmen; nach dem Schekel des Heiligtums sollst du sie nehmen, den Schekel zu zwanzig Gera.

48Und das Geld sollst du als Loskauf der Überzähligen unter ihnen an Aaron und seine Söhne geben.

Aaron, also der Hohepriester, bekommt das Geld, da der ja nun weniger Arbeitskräfte hat. Dem fehlen jetzt 273 Leviten.

Anwendung

Wenn Sie von Gott aus der Sklaverei der Sünde freigekauft wurden und zusätzlich noch mit ewigem Leben ausgestattet sind, dann betrachtet Gott Sie als sein Eigentum.

Gott erhebt Anspruch auf Sie.

Darum sagt Jesus: Wer sein Leben verliert, der wird es gewinnen.

Der Anspruch Gottes ist nicht theoretisch. So dass er keine Auswirkungen auf das Leben hätte, sondern nur auf dem Papier stände.

Die Leviten haben weder Land noch eine größere Menge Vieh in Israel bekommen. Sie sollten Zeit haben, sich um Gottes Angelegenheiten zu kümmern und nicht den Acker pflügen und die Herden durch die Steppe treiben.

Die Leviten sollten von der Gemeinde versorgt werden, und damit waren sie direkt abhängig von Gott, von Gottes Umgang mit der Gemeinde, von Gottes Zuverlässigkeit. Denn wenn Gott einen schlechten Job machte, dann würde die Gemeinde keine Lust mehr haben, ihre Himbeeren mit Gottes Personal zu teilen.

Wer also glaubt, er könne sich von Gott befreien lassen und sich von Gott retten lassen und dann grad weitermachen wie alle anderen Leute auch, der hat wahrscheinlich was nicht richtig verstanden.

Die Gleichnisse von Jesus mit dem Knecht, der die Mägde schlägt, weil der Herr so lange nicht wiederkommt; oder dass einer mit Jogginghose und Schlabberpulli auf der königlichen Hochzeit erscheint; oder dass man aus Dusseligkeit kein Öl mitgenommen hat – alle diese Gleichnisse haben damit zu tun, dass Gott seinen Eigentumsanspruch auf die Geretteten sehr ernst nimmt.

Und wie schon gesagt: Wenn es anders herum wäre, würden wir uns furchtbar beschweren: Wenn Gott uns rettet und freikauft, und uns dann nach ein paar Jahren wieder zu unserem früheren Eigentümer zurück schickt, weil er uns nicht mehr brauchen kann.

Gott nimmt den Eigentumsanspruch gegenüber den Geretteten sehr ernst. Es wäre klug, wenn Sie das genauso handhaben würden.