Apostelgeschichte 4,7

Da kann man gleich mit einer Frage anfangen:

Wieso haben die jüdischen Religionsbehörden das Recht, das Gesundwerden eines Menschen zu bewerten und mal vorsichtshalber Anklage wegen dieses Vorgangs zu erheben?

Antwort auf die Frage

Es gab nach den Vorstellungen der damaligen Zeit (und vermutlich auch tatsächlich) eine ganze Reihe von Möglichkeiten, wie so eine spektakuläre Heilung passieren konnte.

Die meisten dieser Möglichkeiten waren im Gesetz des Mose verboten.

Und über dieses Gesetz als religiöses Grundgesetz in Israel hatte der Hohe Rat zu wachen.

Die meisten Arten, etwas Übernatürliches zu tun, waren im Gesetz des Mose deshalb verboten, weil sie bekannt waren und weil sie in den Nachbarländern Israels die einzige Möglichkeit darstellten, etwas Übernatürliches zu bewirken. Wer keinen starken Gott hat, muss zu anderen Methoden greifen.

In aller Regel wurden für solche Wunder die Kräfte der bösen Mächte angezapft. Wir nennen es heute „Okkultismus“. Und das hat funktioniert, wenn auch mit schlimmen Folgen für die Seelen der Behandelten und ihrer Verwandten. „Warzen besprechen“ war noch eine der harmloseren Methoden.

Folglich lag in einem solchen Fall wie der Heilung eines seit 40 Jahren Gelähmten der Verdacht nahe, dass hier gegen das Gesetz des Mose verstoßen wurde.

Wäre das irgendwo auf einem Dorf passiert, hätte man vielleicht nichts unternommen.

Aber wo der Vorgang nun dermaßen Berühmtheit erlangt hatte, konnte man die Sache ja nicht mehr ignorieren.

Noch dazu, wo die Heilung mitten im Tempel stattgefunden hatte – das besagte Tor lag zwischen dem Vorhof der Heiden und dem Vorhof der Frauen.

Wenn also hier jemand mitten im Tempel die Kraft des Teufels benutzt hätte, dann wäre eine harte Strafe fällig  gewesen.

Überhaupt riecht es verdächtig nach Provokation, wenn man im Tempel solche Aktionen startet, die man genauso gut anderswo durchführen könnte.

(Und selbstverständlich war es eine Provokation. Allerdings nicht von Petrus, sondern von Gott.)

Kriegserklärung

Aus der Sicht der Jünger ergibt sich das Problem, dass eine Vollmacht von Gott immer eine Kriegserklärung ist.

Nämlich von Gott an den Rest der Welt. Der sichtbaren wie der unsichtbaren.

Eine Vollmacht von Gott erhält man nicht zu freundlicher Erbaulichkeit.

Und da, wo Gott jemanden hinschickt und ihn zugleich mit einer göttlichen Vollmacht ausstattet, da sind nach Gottes Meinung die Dinge nicht in Ordnung.

(Zugegeben: Das war jetzt keine blendende Einsicht. Nach Gottes Maßstäben sind die Zustände immer verbesserungsfähig.)

Gott schickt die Leute mit göttlicher Vollmacht, um sich selber bemerkbar zu machen.

Und die Geschichte von Jona und Ninive wird leider nicht beschrieben, weil sie das typische Muster abgibt, nach dem Menschen auf Gottes Ansagen reagieren.

Auch ist es falsch, zu denken, wenn das Heil sichtbar wird und ein von Geburt an Gelähmter geheilt wird, dass das ein allgemeiner Grund zur Freude ist.

Die Gemeinde hat das in ihrem Gebet, das sich an diese Verhandlung vor dem Hohen Rat anschloss, auch genau so verstanden: Es herrscht Krieg. Die ganze Welt gegen den, den Gott gesandt hat.

Übernatürliche Erwartung

Selbstverständlich war den Obersten des Volkes klar, dass hier etwas außergewöhnliches geschehen war.

Man versammelt nicht alles, was Rang und Namen hat, wegen Nebensächlichkeiten.

Die Frage nach der Kraft oder dem Namen, in dem die Tat begangen wurde, lässt auch erkennen, dass die Richter mit etwas anderem rechnen als mit der natürlichen Begabung des Petrus.

Womit sie nicht rechneten, ist, dass sich zu den üblichen Verdächtigen jetzt der gefährlichste von allen gesellt: Der auferstandene Sohn Gottes.

Was sie folglich auch nicht verstehen, dass Gott ihnen hier gerade ziemlich endgültig den Krieg erklärt hat.

Denn wenn Gott anfängt, solche Vollmachten zu verteilen – 800 Jahre nach Elia – und wenn auch die Ermordung von Jesus das nicht stoppen konnte – aber nein, der Hohe Rat versucht immer noch, das mit seiner weltlichen Machtbefugnis zu unterbinden.

Aktuelle Lage

Und so ist es bis heute:

Wenn ein Mensch mit Vollmacht erscheint, dann ist die letzte Idee, auf die man kommt, dass Gott einem etwas sagen will.

Ein Mensch mit göttlicher Vollmacht – der stände ja aufgrund seiner Vollmacht hierarchisch über mir.

Sicher: Wenn dieser Bevollmächtigte nur gekommen wäre, um mir zu applaudieren, dann könnte ich seine Vollmacht auch anerkennen.

Und so, wie König Ahab nie auf die Idee kam, dass Gott ihm durch Elia etwas sagen wollte –

und wie der Pharao nie von einer Ahnung berührt wurde, dass er es hier mit einem wahrhaft Höherem zu tun hatte –

so kommen auch die Hohenpriester hier nicht auf die Idee, dass Gott selbst hinter der Sache steckt.

Und glauben Sie bloß nicht, dass sich da bis heute irgendwas geändert hat.