Apostelgeschichte 16,16-18 Beifall von der falschen Seite

Die Welt kann schon ein ungeheures Durcheinander sein.

So wie hier in Philippi zum Beispiel.

Diese besessene Sklavin, die ein Medium war und darum zuverlässig wahrsagen konnte, sagt voll und ganz die Wahrheit.

Denn natürlich waren Paulus und Co. Knechte Gottes des Höchsten, und natürlich verkündeten sie den Weg des Heils.

Man konnte ihr also schlecht widersprechen.

Aber es wurde auch nicht wirklich klar, welche Motivation der Teufel hatte, dass er seine Dienerin sich so verhalten ließ:

  • Wollte der Teufel verhindern, dass Paulus und die Christen ihn angriffen? Weil er wusste, dass er dann verlieren würde, wo er hier in Philippi doch so einen guten Stand hatte?
    • Wollte er den Angriff verhindern, indem er die Wahrheit sagte, wogegen die Christen ja nichts machen konnten?
    • Wollte er den Angriff dadurch verhindern, dass er den Christen schmeichelte und sie öffentlich unterstützte?
    • Wollte er den Angriff dadurch verhindern, dass die Christen moralisch ja kein Mittel gegen ihn hatten? Der Teufel hatte ja nichts Böses gemacht, im Gegenteil, er hatte sie unterstützt. Da werden die Christen sich doch wohl schämen, dass sie trotzdem gegen ihn vorgehen.
    • Hoffte der Teufel, dass die Christen nicht erkannten, wer hinter dieser Unterstützung ihrer Arbeit steckte?
  • Wollte der Teufel vor der Bevölkerung den Eindruck erwecken, dass die Christen eigentlich nichts Besonderes waren, sondern im Grunde auf der gleichen Linie lagen wie die Gottheit, die hinter der Wahrsagerin stand?
  • Wollte der Teufel den Paulus provozieren, um es zu einem offenen Machtkampf kommen zu lassen, den Paulus auf politischer Ebene natürlich verlieren musste (was er dann am Ende ja auch tat, denn er musste Philippi verlassen)?

Was auch immer die Motive und Gedanken des Bösen waren: Paulus wollte dieses Benehmen nicht länger hinnehmen. Er verstand, dass ihm mit Beifall von der falschen Seite nicht gedient war. Auf keinen Fall durfte der Eindruck entstehen, dass eigentlich kein Unterschied ist zwischen der Macht hinter der Wahrsagerin und der Macht hinter Paulus.

Woran man Vollmacht erkennt

Wenn Christen wirklich von Gott bevollmächtigt sind, wenn sie also tatsächlich mit Macht ausgestattet sind, dann erkennt man das u.a. daran, dass das Böse von alleine zu zetern anfängt.

Wenn die Dämonen Muffensausen kriegen und zu hyperventilieren anfangen, dann kann man davon ausgehen, dass sie sich gefährdet sehen.

Aus irgendwelchen, uns unbekannten Gründen können Dämonen sich bei Anwesenheit des Heiligen Geistes schlecht wegducken.

Denn das wäre ja eine Strategie: Sich klein machen, bis der Sturm vorbei ist.

Christen kommen und Christen gehen, und die bevollmächtigten Christen sind gering an Zahl, also wartet man einfach ganz leise ab, bis sie wieder weg sind.

Aber scheinbar verursacht die Anwesenheit Jesu den Dämonen so einen Schmerz und so eine Qual, dass sie nicht schweigen können, es nicht tatenlos aushalten können.

Des weiteren erkennt man die Vollmacht von Paulus hier natürlich daran, dass er dem Dämon Befehle erteilen kann.

Und das ist eigentlich der Witz an der Sache:

Der unbedarfte Zuschauer könnte sagen, man erkennt die Größe und Wahrheit der Christen daran, dass sogar die Dämonen verkünden, dass die Christen das Heil Gottes bekanntmachen.

Aber in Wahrheit zeigt sich die Größe der Christen darin, dass sie den Dämonen Befehle erteilen können.

Der Beweis, dass Paulus tatsächlich ein Knecht Gottes ist, liegt also nicht in der Aussage der Dämonen, sondern in ihrer tatsächlichen Unterlegenheit.

Der Adressat

Paulus wendet sich hier nicht gegen die Sklavin. Vielleicht hat er das vorher schon versucht, und es wird uns nur nicht berichtet.

Die Sklavin hat allerdings einen freien Willen, die kann machen, was sie will und muss Paulus überhaupt nicht gehorchen.

Auch Jesus, der hier eigentlich der Befehlende ist, muss die Sklavin nicht gehorchen.

Der Dämon hat allerdings keinen freien Willen.

Der Teufel ist besiegt, die Menschheit nicht.

Also wendet Paulus sich hier an den Dämon, denn der hat keine Wahl und muss der Macht Jesu, die hinter Paulus steht, gehorchen.

So lange!

Die letzte Frage, die wir noch klären müssen, ist, warum Paulus so lange gewartet hat, bis er den Dämon austrieb.

Warum hat er es nicht gleich am ersten oder spätestens am zweiten Tag gemacht?

Statt dessen hat er die Frau „viele Tage“ krakeelen lassen. Das sind mindestens zwei Wochen.

Die Antwort wissen wir nicht zuverlässig, denn sie steht nicht im Text.

Wenn wir aber sehen, was anschließend an die Austreibung geschah, dann wird klar, dass mit der Austreibung die Wirksamkeit des Paulus in Philippi beendet war.

Hat Paulus das gewusst?

Vermutlich nicht.

Hat Gott das gewusst?

Vermutlich schon.

Wird Paulus mit Gott über die Angelegenheit gesprochen haben?

Davon gehe ich jetzt mal aus.

Wenn es so war, dann zeigt dieses Ereignis, dass es recht vernünftig ist, sich mit Gott abzusprechen, selbst wenn man eine Vollmacht hat, die man eigentlich benutzen könnte, ohne Gott zu fragen.

Denn genauso, wie es ein Unding ist, eine Vollmacht zu haben und sie nie zu benutzen, so ist es auch ein Unding, eine Vollmacht mit Brachialgewalt und im Stil dessen zu benutzen, der nicht und nichts mehr fragen muss, sondern ohne Abwägung und ohne Rückfragen mit seiner Vollmacht zuschlagen kann.

Wir haben etwas ähnliches in 1.Kor 14,30-32, wo Paulus die Regel aufstellt, dass ein Prophet, selbst wenn er von Gott bevollmächtigt ist (was ein Prophet immer sein sollte …), sich hinsetzen und die Klappe halten soll, wenn jemand anders aufsteht und etwas sagen will.

Eine göttliche Vollmacht ist kein Mittel für Macho-Gehabe und kein Freibrief für rücksichtslose Rundumschläge.

Auch Jesus hat die 12 Legionen Engel nicht bestellt, obwohl er es gekonnt hätte (Mt 26,53).

Conclusion:

In Philippi treffen Licht und Finsternis hart aufeinander, und Paulus als Träger des Lichts verhält sich genau richtig: Er benutzt seine Vollmacht, er macht den Unterschied deutlich, aber er macht es so, dass es Gottes Sache dient und also dem Willen Gottes tatsächlich entspricht.