Johannes 8:31-36 Testlauf zur Freiheit
Endlich mal eine Bibelstelle, die Sie, verehrter Leser, tatsächlich was angeht. Die Rede von Jesus, die wir heute betrachten, hat er an Leute hingeredet, die schon auf seiner Seite waren. So wie Sie, hoffentlich. Also diese Rede geht jetzt nicht an Jesu Kritiker und damit auch nicht an die Pharisäer, sondern an Leute, die der Meinung waren, dass das stimmt, was Jesus so sagt.
Joh 8,31-36
31 Jesus sprach nun zu den Juden, die ihm geglaubt hatten: Wenn ihr in meinem Wort bleibt, so seid ihr wahrhaft meine Jünger;
In seinem Wort zu bleiben heißt nun ganz simpel, das zu tun, was er sagt.
Nicht etwa nur, das zu glauben, was er sagt. Sondern tatsächlich das eigene Leben umzugestalten, so dass es dem entspricht, was Jesus als das bestmögliche Leben propagiert hat.
Das bestmögliche Leben meint aber nicht in erster Linie das moralisch einwandfreie, sondern radikale.
32 und ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.
Ich habe auf die Radikalität hingewiesen, weil man mit normalen Mitteln die Wahrheit nicht erkennen kann. Das gilt nicht nur für den Untersuchungsausschuss wegen der NSU-Affäre oder dem, was die Geheimdienste machen. Da kriegt man es auch nicht raus.
Das gilt für die ganz alltäglichen Sachen. Denn wir wissen oft nicht, was wahr ist, was tatsächlich hinter den Dingen steckt. Und da geht es in den meisten Fällen noch nicht mal darum, dass uns jemand anlügt.
Denn das Gegenteil von Wahrheit ist nicht nur Lüge, sondern auch Irrtum und Täuschung.
Wenn man sich täuscht hinsichtlich seiner eigenen Motive, seiner eigenen Einstellung. Man denkt, man will doch abnehmen oder mit dem Rauchen aufhören, aber es funktioniert nicht.
Oder man denkt, man will doch das Gute für den anderen, aber der andere merkt, dass man in Wahrheit ganz was anderes will, aber man selbst merkt das nicht. Man ist sich über seine eigenen Motive nicht im Klaren.
Oder wenn man sich täuscht über einen anderen Menschen. Wenn ein Streit entsteht, und man hat keine Ahnung, wieso er entstanden ist. Und wenn man die Wahrheit hinter dem Streit nicht kennt, ist es natürlich auch schwer, den Streit wieder zu beenden.
Man denkt, man weiß, was der andere will, weil er sich ja schließlich dementsprechend geäußert hat, aber wenn man dann das macht, was man für das Richtige hält, dann ist es völlig falsch. Man dachte, man kennt die Wahrheit über die Wünsche des anderen, aber man hat sich getäuscht.
Und solche Probleme und diese Täuschungen und Irrtümer kriegt man mit normalen Methoden nicht gelöst. Man kann sie nicht verhindern, und man kriegt die daraus entstehenden Konflikte auch schwer wieder entschärft.
Allerdings ist Jesus jetzt mit seinem Angebot von Freiheit an die Falschen geraten. Er kündigt denen die Freiheit an, die sich auf ihre Freiheit so ungeheuer viel einbildeten.
33 Sie antworteten ihm: Wir sind Abrahams Nachkommenschaft und sind nie jemandes Sklaven gewesen. Wie sagst du: Ihr sollt frei werden?
Wir brauchen jetzt nicht zu diskutieren, dass diese Menschen ja unter römischer Herrschaft standen und irgendwie keineswegs frei waren. Denn es geht bei der Frage nach der Freiheit nicht um die objektive Wahrheit. Es geht nicht um Tatsachen. Sondern es geht um das ganz subjektive Bild, das ich von mir habe.
Mein subjektives Ich
Und wenn man einem Menschen sagt, dass ihm Kenntnisse fehlen, dann sieht er das vielleicht noch ein und ist bereit das zuzugeben, weil er den Satz von Euklid tatsächlich nicht auswendig aufsagen kann.
Aber wenn man dem Menschen sagt, dass er nicht frei ist in seinem Willen und in seinen Entscheidungen, dann sollte man sich vielleicht vorher eine schusssichere Weste ausleihen.
Wenn man einem Menschen sagt, er sei in seinem Willen nicht frei, sondern versklavt, dann ist in Deckung zu gehen vielleicht nicht ganz dumm.
Wenn man einem Menschen sagt, er sei noch nicht mal so frei, das Richtige überhaupt zu wollen, geschweige denn es auszuführen – also er sei noch nicht mal Herr seines eigenen Denkens, sondern er denke, was jemand anders ihm befiehlt – also man brauche einen Erlöser für die eigenen Absichten, oder besser von den eigenen Absichten …
Paulus hat die missliche Lage des natürlichen Menschen ja im Römerbrief so ähnlich beschrieben: Röm 7,19
19 Denn das Gute, das ich will, übe ich nicht aus, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich.
Das war aber nicht etwa die Beschreibung des Zustandes heute, sondern das war die Beschreibung des Zustandes unter dem Gesetz des Mose. Paulus fährt dann fort in Röm 8,2
2 Denn das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus hat dich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes.
Also zu deutsch: Das muss jetzt nicht mehr so sein, dass ich entweder keinen freien Willen habe oder nicht die Freiheit, ihn umzusetzen. Und der Paulus hat diesen Zusammenhang offenbar von Jesus, denn Jesus sagt hier:
34 Jesus antwortete ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Jeder, der die Sünde tut, ist der Sünde Sklave.
Wenn Jesus hier von Sünde spricht, meint er nicht das moralisch schlechte. Es geht hier nicht um Moral, sondern es geht um Wahlfreiheit.
Wer Sünde tut, ist derjenige, der das Gute nicht wählen kann. Warum auch immer. Aber bei dem Guten geht es nicht um etwas, dass aus moralischer Sicht in Deutschland als gut angesehen wird, sondern um etwas, das Gott als gut ansehen würde. Und das ist ein riesiger Unterschied.
Vielleicht kann jemand das Gute nicht wählen, weil es mit normalen Methoden in dieser Situation gar kein „Gutes“ gibt. Alle Möglichkeiten, die man nach menschlichem Ermessen hätte, sind schlecht. Man hat die Wahl zwischen Pest und Cholera. Nach menschlichem Ermessen gibt es keine „gute“ Lösung.
Vielleicht kann man das Gute nicht wählen, weil man soweit einfach nicht über den eigenen Schatten springen kann. Das Gute würde soviel von einem verlangen – und ich meine hier am wenigsten Geld, sondern das wirklich Gute verlangt meistens ganz andere Dinge als Geld, nämlich z.B.
· den Verzicht auf Durchsetzung meiner eigenen Wertmaßstäbe
· einen Angriff zu unternehmen gegen meinen eigenen Stolz – nachzugeben, wo ich das eigentlich nun wirklich nicht nötig hätte.
· dass ich meine Meinung, wie das Problem zu lösen ist, nicht mehr vertrete und nicht mehr durchzusetzen versuche.
Vielleicht kann man das Gute nicht wählen, weil man gar nicht erkennt, dass das, was man tut, andere Leute auf die Palme bringt und das Aggressionspotential in der näheren Umgebung erheblich in die Höhe treibt.
Auf jeden Fall, sagt Jesus, ist man nicht frei, wenn man sich nicht frei für das Gute und Richtige entscheiden kann. Solange bei meinem Handeln Mist hinten rauskommt, bin ich Sklave der Sünde.
Und wenn Jesus von Freiheit spricht, meint er nicht eine theoretische Freiheit. Er meint tatsächliche Freiheit.
Nicht die theoretische Freiheit, dass ich abnehmen könnte, sondern die praktische, dass ich es tue. Nicht die theoretische Freiheit, dass ich mit dem Rauchen aufhören könnte, sondern die praktische, dass ich es tue.
Nicht die theoretische Freiheit, dass ich diesen Streit beenden könnte, sondern die praktische, dass ich es tue. Nicht die theoretische Freiheit, dass ich auf meine Wertmaßstäbe verzichten kann, sondern die praktische, dass ich es tue. Und dass ich mich nicht mehr ärgere, wenn der andere den Müll nicht richtig trennt. Oder zu spät kommt.
Und wie wird man jetzt frei? Wie bekommt man die praktische Freiheit, so handeln zu können, wie man es wirklich will? So zu handeln, dass es nicht der Sünde dient, dass also nichts Böses dabei rauskommt?
Welche Methode muss man anwenden?
Wie man frei wird
„Wenn Ihr in meinem Wort bleibt, werdet Ihr die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird Euch frei machen.“
Und das heißt nicht, zu Jesu Worten mit dem Kopf nicken, sondern das machen, was er sagt.
Und das bedeutet eben, das Extreme zu tun, was Jesus sagt. Etwas Durchschnittliches hat er nämlich nicht gesagt. Weil man mit durchschnittlichem Handeln die Probleme des Lebens und der Welt nämlich nicht löst.
Das bedeutet, das Bizarre zu tun, was Jesus sagt und ja auch vorgelebt hat. Nichts Normales, denn Jesus hat weder das Normale gelebt, noch hat er das Normale propagiert.
Die Wahrheit erkennt man nicht in der Bibelstunde und nicht durch die Predigt.
Die Wahrheit erkennt man durch Ausprobieren. Durchs Tun. Durch außergewöhnliches Tun.
Dass man tatsächlich ein Leben gewinnen kann – ein Leben, das viel besser ist als das, was man bisher geführt hat – kann man nur dadurch erkennen, dass man sein eigenes Leben aufgibt. Verliert.
Dass etwas Entscheidendes passiert, wenn ich Gott bitte, dass er meinen Feind segnet und gut zu ihm ist, erfahre ich dann, wenn ich es mache. Die Wahrheit, dass Gott in so einem Fall tatsächlich sehr überraschend handelt, kriege ich nur raus, wenn ich es ausprobiere.
Das ist bei C&A auch so: Nimm drei zahl zwei setzt voraus, dass Du zuerst zwei nimmst – und dann kriegst Du das Dritte umsonst. Man käme ja nicht auf die Idee, mit einem einzelnen Stück zur Kasse zu gehen und zu sagen: „Das ist das Dritte, das brauche ich nicht zu bezahlen, bitte machen Sie die Diebstahlsicherung ab“, und wenn die Verkäuferin dann fragt, wo denn die anderen beiden Teile sind, dass man dann sagt, auf die verzichtet man, die brauche man nicht, die lasse man C&A großzügigerweise da. Sondern Du kriegst das Dritte erst, wenn Du vorher zwei genommen hast.
Dass Gott das unglaublich segnet, wenn ich auf meine Wertmaßstäbe verzichte, erfahre ich dadurch, dass ich auf sie verzichte.
Dass Demut eine unglaubliche Segenslawine lostritt, erfahre ich durch Unterordnung. Und erst dieses Ausprobieren und die Erfahrung ermöglicht es mir, beim nächsten Mal vielleicht ein bisschen eher darauf zu verzichten, meine Meinung durchzusetzen. Ich werde frei von der Sucht, dass die anderen meine Wertmaßstäbe erfüllen müssen, und ich werde frei davon, mich unglaublich zu ärgern, weil die vor meinen Augen den Müll nicht richtig trennen.
Dass Beten funktioniert, merke ich nur daran, dass ich es mache. Und zwar, indem ich es so mache, wie Jesus es gesagt hat. Wenn es nicht funktioniert, habe ich es offensichtlich so gemacht, wie ich es für richtig hielt, aber nicht so, dass es bei Gott was bewirkt.
Dass Glauben Berge versetzt, erkenne ich durch Ausprobieren.
Dass man auf dem Wasser gehen kann, merke ich dadurch, dass ich aus dem Boot aussteige.
Dass Jesus alles möglich ist, merke ich, wenn ich die Netze zur falschen Zeit am falschen Ort auswerfe, weil er es gesagt hat.
Vertrauen zu Gott wächst durch Ausprobieren und durch nichts anderes.
Und wenn wir die Wahrheit über Gott durch Ausprobieren erkannt haben, dann werden wir frei von dem Glauben an die Zwangsläufigkeit.
Freiheit bedeutet nämlich, dass es immer mindestens zwei Möglichkeiten gibt. Und zwar keine theoretischen, sondern tatsächliche.
Der starke Glaube
Ich kenne Christen, die haben einen unglaublich starken Glauben. Die glauben ganz fest, dass sie ein schweres Schicksal haben, gegen das Gott nichts aber auch gar nichts machen kann. Die haben einen unglaublich starken Glauben, aber nicht an Gott, sondern an die Zwangsläufigkeit.
Der Glaube daran, dass es nur eine Möglichkeit gibt, wie es ausgehen kann, und dass es nur eine Möglichkeit für die Lösung des Problems gibt, und dass es nur einen Ausweg gibt und nur ein Ergebnis, auf das es zwangsläufig hinausläuft, ist ein großer Glaube an die Stärke der Sünde. Hat mit Gott aber nicht viel zu tun.
Wenn ich die Wahrheit erkannt habe – durch Ausprobieren, nicht durch Lesen – wenn ich die Wahrheit über Gott erkannt habe, werde ich davon frei sein, nur eine Methode zur Lösung eines Problems zu haben. Ich habe dann erfahren, dass da, wo ich nur einen Ausweg sehe, Gott noch jede Menge davon kennt.
Wenn Ihr in meinem Wort bleibt, sagt Jesus, also wenn Ihr tatsächlich das macht, was ich sage, dann werdet Ihr die Wahrheit erkennen. Und die Wahrheit über Gott kann man nicht intellektuell erkennen. Nachdenken schadet ja nichts, aber es hilft nicht viel, wenn man die Wahrheit über Gott erkennen will.
Und wenn man auf dem Wege des Ausprobierens die Wahrheit über Gott erfahren hat, dann weiß man, dass man nicht mehr so handeln muss, dass es daneben geht. Dann weiß man, dass man der Sünde nicht mehr zu dienen braucht. Dann weiß man, dass man nicht mehr an die Zwangsläufigkeit zu glauben braucht.
Dann ist man frei. Dann hat man immer mindestens zwei realistische Möglichkeiten. Wobei die nicht nach menschlichem Ermessen realistisch sein müssen, sondern nach Gottes Ermessen.
Gott will unsere Freiheit. Und er hat einen Weg bereitet, wie jeder die Freiheit bekommen kann: Ausprobieren.