Johannes 3,8 Kontrollverlust

Nikodemus kam aus dem Zentrum der religiösen Macht. Wo man bestimmte, was rechtgläubig war und was nicht.

Wo man aus den heiligen Schriften herauslas, wie Gott ist und wie Gott handelt.

Und das hatte man soweit getrieben, dass man wusste, dass Gott am Sabbat niemals heilen würde. Und falls Gott es dennoch tat, dann brach er damit die Gebote.

Gott war verfügbar, Gott war berechenbar. Und diesen Jesus durfte er sowieso nicht als Messias senden, denn der erfüllte die Anforderungen der Schriftgelehrten nicht.

In Nikodemus‘ Welt war Gottes Handeln nachvollziehbar, erklärbar, begründbar. Und der Gläubige musste sein eigenes Handeln ebenfalls anhand der Schrift erklären, und anhand der Schrift wurde geprüft, ob das Handeln des Gläubigen richtig war.

Und am Sabbat heilen, das ging nicht. Auch wenn es ging.

Und diesem Nikodemus, einem Gottversteher, sagt Jesus nun, was das Wesen des neuen Menschen ist: Joh 3,8

8 Der Wind weht, wo er will, und du hörst sein Sausen, aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht; so ist jeder, der aus dem Geist geboren ist.

Der aus dem Geist geborene Mensch wird nicht von der Bibel geleitet, sondern von Gott. Der vom Geist geleitete Mensch hat etwas gehört, nicht etwas gelesen. Darum spricht Jesus immer wieder mit soviel Nachdruck über das Hören. Wer Ohren hat zu hören, der höre! Seht zu, wie Ihr hört! Meine Schafe hören meine Stimme. Wer ein Ohr hat, höre, was der Geist den Gemeinden sagt!

Jesus verlangt von Nikodemus, der es gewöhnt war, in den verschiedenen Bereichen des Lebens die Kontrolle auszuüben, dass er auf diese Kontrolle verzichtet. Jesus verlangt von Nikodemus den planmäßigen Kontrollverlust. Was schon immer etwas war, was die Menschen nach Kräften zu vermeiden suchten.

Insbesondere natürlich verlangt Jesus von Nikodemus die Aufgabe seiner Machtposition in Bezug auf Gott. Denn die jüdischen Theologen waren schon lange dazu übergegangen, über Gott zu bestimmen. Was Gott denken durfte und wie er handeln durfte, das bestimmten die Theologen.

Die Frage ist: Kontrollierst Du Gott, oder kontrolliert Gott Dich?

Aber wenn Gott die Kontrolle hat, dann ist es mit der Vorhersagbarkeit vorbei. Denn Gott ist frei, der muss sich nicht an die Bibelauslegung der Pharisäer halten. Der kann machen was er will.

Der aus dem Geist geborene Mensch wird von Gott gesteuert, nicht von der Bibel. Denn wenn er von der Bibel gesteuert wird, ist die Gefahr viel zu groß, dass er durch mein Verständnis der Bibel geleitet wird, aber nicht durch das, was Gott eigentlich sagen wollte.

Also heißt die zusammenfassende Forderung, die über Nikodemus an uns gelangt ist: Gib endlich die Kontrolle auf, damit Gott tun kann, was er tun will. Solange wie Du die Kontrolle ausübst, stehst Du Gott im Wege.

Denn solange mein Gottesbild der Bibel vorgeschaltet ist, werde ich da nur das lesen, was mein Gottesbild gestattet.

Solange Gott nur das machen darf, was ich ihm erlaube, und mich nur beauftragen darf mit Dingen, die mein innerer Polizist genehmigt, und nur Aussagen machen darf, bei denen meine innere Zensur nicht alle Alarmlämpchen anschaltet, da kommen wir nicht weiter. Da kommt Gott nicht weiter mit seinem Reich, und da komme ich nicht weiter in meiner Entwicklung.

Kontrollverlust ist ein göttliches Gebot.