Johannes 3,8 Nikodemus will nicht

Nein, Nikodemus wollte nicht. Ganz bestimmt nicht. 

Gott stand fest unter der Herrschaft der Theologen. Was Gott tun durfte und was nicht, das wurde von der geistlichen Leitung bestimmt. 
 
Was auch ganz praktisch war. Man war vor Überraschungen sicher. Man war Chef im eigenen Hause. 
 
Und jetzt sagt Jesus zu Nikodemus, es funktioniere nicht, wenn Nikodemus den Gott nicht etwas machen ließe, worauf Nikodemus keinerlei Einfluss und kein Mitspracherecht hätte. Der Mensch müsse von neuem geboren werden, und das sei alleine Gottes Werk. Der Mensch muss es Gott erlauben. Aber machen kann es nur Gott ganz alleine, und das Ausmaß dessen, was da geschieht, bestimmt nur Gott. Und das Ergebnis, also was da geboren wird, bestimmt ebenfalls nur Gott. 
 
Nicht wahr, Kontrollverlust ist ein schwieriges Thema. Nikodemus war nicht nur eine gebildete, wohlhabende und mächtige Einzelperson, er war auch Mitglied des hohen Rates. Nikodemus hatte nicht nur die Herrschaft über sein eigenes Leben, er war auch beteiligt an der Herrschaft über das Judentum. Über das damalige Reich Gottes. 
 
Und jetzt kommt Jesus und sagt: "Die Herrschaft muss wieder Gott gehören." Sowas traf Nikodemus im Zentrum seines Lebens, seines Denkens, seiner Existenz. 
 
Des Menschen Autonomie ist eine sehr heilige Kuh. Und dass man Gott erlaubt, dass er machen darf, was er will, kommt auch in christlichen Gemeinden sehr selten vor. 
 
"Der Wind weht wo er will", sagte Jesus zu Nikodemus, "und man sieht höchstens die Ergebnisse seines Wehens, nämlich das Rauschen der Blätter oder die abgebrochenen Äste." Und so ist jeder Mensch, der tatsächlich aus Gottes Geist neu geboren ist. Mit dem passieren Dinge, über die er selbst keine Macht hat, und über die Gemeindeleitung oder die Moralapostel erst recht keine Macht haben. 
 
Hört sich blöd an, ist aber so: 
Damit die Freiheit leben kann, muss die Autonomie sterben.