Lukas 12,35-44 – Lassen Sie das Licht an!
Lassen Sie das Licht an!
Ganz egal, ob Sie denken, es kommt ja ohnehin keiner mehr.
Vergessen Sie alle Gedanken über Energiesparen und Lichtverschmutzung.
Egal, was Tante Gertrud sagt: Das Licht bleibt an.
Lukas 12,35
35Eure Lenden sollen umgürtet und die Lampen brennend sein!
Und was Jesus hier auch noch fordert: Behalten Sie die Kittelschürze und den Blaumann an.
Auch wenn Sie denken, es gibt nichts mehr zu tun.
Auch wenn der Vizepräsident zu Besuch kommt und das lange Schwarze oder eine Krawatte angemessener erscheint.
Sie lassen das Licht brennen und kommen in Arbeitskleidung.
Ganz egal, was irgendein Superschlaumeier sagt.
Die mehrfachen Hochzeiten
Ich verstehe das schon, lieber Leser, dass Sie in Ihrem Leben nur ein einziges Mal auf eine Hochzeit eingeladen wurden.
Es hat sich danach schnell rumgesprochen, was Sie damals ... äh ... also ...nun ja ..., und deshalb hat sie nie wieder jemand auf eine Hochzeit eingeladen.
Möglicherweise kamen Sie deshalb auf die Idee, es sei völlig normal und gar nicht anders denkbar, als dass ein Mensch im Leben nur einmal zu einer Hochzeit eingeladen wird.
Aber – auch wenn Ihnen diese Wahrheit wehtun mag – es gibt durchaus Menschen, die in ihrem Leben zu 20 oder 50 Hochzeiten eingeladen werden.
Folglich gehen wir mal davon aus, dass dieses Gleichnis nicht von einem einmaligen, unwiederholbaren Ereignis handelt: Lukas 12,36
36Und ihr, seid Menschen gleich, die auf ihren Herrn warten, wann er aufbrechen mag von der Hochzeit, damit, wenn er kommt und anklopft, sie ihm sogleich öffnen.
Anders ist es in den Versen 39 und 40. Dort geht es um das Kommen des Menschensohnes. Das kann durchaus als ein einmalige Ereignis (am Ende der Zeit; am jüngsten Tag) oder zumindest als ein extrem seltenes Ereignis betrachtet werden (falls Sie Jesu Kommen auf die Erde oder seine Auferstehung mit dazu rechnen wollen).
Aber in den Versen 36 bis 38 geht es um Vorgänge, die sich vergleichsweise oft wiederholen.
Der Friseur
Natürlich hätte Jesus das Gleichnis auch so erzählen können, dass der Herr vom Friseur kommt. Da geht man auch öfter hin. Nur: Der Friseur macht um 20 Uhr zu. Da wüssten die Diener ungefähr, wann sie den Herrn daheim erwarten dürfen. Eine Hochzeit hingegen hat keinen Ladenschluss. Da ist es recht ungewiss, wann die Geladenen heimkommen.
Und oder Oder
Dass es sich hier um ein wiederkehrendes Ereignis handelt, erkennt man auch im Vers 38. Dieser lautet nämlich nicht: „Oder falls er in der zweiten Wache oder wenn er in der dritten Wache kommt“ – nein, da steht kein „oder“. Der Text lautet: Lukas 12,38
38Und wenn er in der zweiten Wache und wenn er in der dritten Wache kommt und findet sie so – glückselig sind jene!
Natürlich ist das absurd, dass der Herr dreimal von der Hochzeit nach Hause kommt.
Aber das ist genau der Trick in diesem Gleichnis: Keiner erwartet das. Man würde sagen: Jetzt ist er ja heimgekommen, da können wir das Licht ausmachen. Aber Vers 35 sagt ausdrücklich: Sie sollen das Licht nicht ausmachen!
Ja, es gibt Menschen, die glauben, sie könnten das Kommen Gottes berechnen. Realistisch einschätzen. Theologisch vorausschauend beurteilen. Und darum das Licht ausmachen.
· Aber Gott kam zu Abraham, als es dafür eigentlich zu warm war (Gen 18,1) und dann noch einmal, als der rauchende Ofen durch die Tierhälften fuhr (Gen 15), und dann an Abrahams 99. Geburtstag (Gen 17), und dann nochmal, als Abraham Isaak opfern sollte (Gen 22). Es gab keine Grundlage für eine vorausschauende Berechnung dieser Termine.
· Gott kam zu Mose im Dornbusch und dann später immer wieder, so dass Mose Schwierigkeiten mit seinem Makeup hatte (das Gesicht glänzte immer so).
· Gott kam zu Samuel nachts, als der im Tempel schlief und nun wirklich nicht damit rechnete.
· Gott kam zu Zacharias im Tempel. Eigentlich zu spät, um noch ein Kind zu bekommen.
· Gott kam zu Josef im Traum und zu den Magiern ebenso.
· Gott kam zu Bileam, so dass er dem Esel im Weg stand.
· Gott kam zum Propheten Daniel mit einem goldenen Gürtel und mit einem Gesicht wie der Blitz (Daniel 10,5).
· Gott kam zu Petrus, als er auf dem Dach betete. Und dann im Gefängnis in Person des Engels, der die Türen aufmachte.
Naja, die Reihe der Beispiele ist irgendwie endlos.
Gottes Kommen ist nicht logisch, ist nicht berechenbar, nicht vorhersagbar. Gott kommt durch geschlossene Gefängnistüren oder befindet sich im Feuer – da kann er auch dreimal von derselben Hochzeit kommen. Lassen Sie das Licht an!
Und wenn wir dann noch die ganzen Geschichten aus der Kirchengeschichte und der Religionsgeschichte dazu nehmen – dabei können wir die zweifelhaften Sachen wie Josef Smith und Mohammed und die Mädchen von Lourdes gerne weglassen, es bleiben immer noch viele tausend Begegnungen mit Gott übrig. Und das sind dann ja nur die, von denen man irgendwo offiziell berichtet hat. Die meisten Menschen, die Gott begegnen, erzählen das ja gar nicht. Erstens weil man das schlecht erzählen kann, und zweitens weil einem das sowieso keiner glaubt.
Weitere Absurditäten
Nun mag es einem absurd erscheinen, dass man dreimal von einer Hochzeit nach Hause kommen kann. Aber wir haben es hier mit Gott zu tun, und der hatte in diesem Zusammenhang noch weitere Absurditäten im Vorrat: Lukas 12,37
37Glückselig jene Knechte, die der Herr, wenn er kommt, wachend finden wird! Wahrlich, ich sage euch: Er wird sich umgürten und sie sich zu Tisch legen lassen und wird hinzutreten und sie bedienen.
Nun ist es in Zeiten einer konstitutionellen Monarchie möglicherweise vorstellbar, dass König Charles und Königin Camilla ihrem Personal ein Essen kochen und es ihnen auch servieren. Wir haben heute Humanismus und Demokratie und kennen den Gedanken, dass jeder Mensch gleich viel wert ist.
Für die damaligen Verhältnisse war aber der Gedanke, dass der Herr die Diener bedient, undenkbar. Und dass Putin oder Trump oder ein Talibanführer oder ein iranischer Ayatollah so etwas machen, ist auch heute noch ziemlich unwahrscheinlich. Petrus war bei der Fußwaschung nicht ohne Grund dagegen.
Aber so ist es: Wenn Gott kommt, und Sie haben tatsächlich das Licht an und die Arbeitskleidung auch, dann drehen sich die Verhältnisse um.
Wenn Gott kommt und Sie tatsächlich bereit sind, ihn zu empfangen und ihm zu dienen, dann werden Sie Zielgruppe dieser verdrehten Verhältnisse.
Dann wird Gott Ihnen dienen.
Hört sich so durchschnittlich an.
Aber welch eine Macht dahinter steckt, wenn Gott mir dient! Welche Möglichkeiten das beinhaltet, wenn Gott für mich kocht! Was das für Konsequenzen für mein Lebensgefühl hat, wenn Gott mich bedient!
Wann Gott kommt
Bevor nun Petrus seine Frage stellen kann, klären wir erstmal: Wie macht man das denn: So auf Gott warten, dass man es mitbekommt, wenn er kommt?
Natürlich kann man dazu keine eindeutige Verhaltensanweisung geben. Sowohl Gott als auch der jeweilige Mensch sind ein Individuum. Man kann hier keine allgemeine Regel aufstellen.
Aber soviel lässt sich doch sagen:
· Zu Samuel kam Gott, als Samuel nahe bei Gott schlief. In der Stiftshütte. Nicht im Hotel Meeresblick.
· Zu Petrus kam Gott, als Petrus auf dem Dach betete (Apg 10,9). Nicht auf einer Radtour.
· Als Gott zu Paulus kommen wollte, konnte Gott zu Hananias sagen: „Siehe, er betet“ (Apg 9,11).
· Zu Zacharias kam Gott beim Beten im Tempel (Lk 1,8-11)
· Zu Mose kam Gott, als Mose zu Gott kam (auf den Berg).
· Die Begründung, warum der Engel zu Kornelius kam, lautete: „Deine Gebete und deine Almosen sind hinaufgestiegen zum Gedächtnis vor Gott“ (Apg 10,4).
Ja, sicher: Gott erschien auch in einem Dornbusch und auf einem Schiff (Apg 27,23), und bei vielen Beispielen kennen wir die genauen Umstände gar nicht. Und wir kennen ja auch nur die Beispiele, wo die Leute es gemerkt haben, dass Gott kam. Die Schriftgelehrten sind eines der seltenen bekannten Beispiele, wo Gott kam und die Leute ihn sahen und ihn nicht erkannt haben. Aber ansonsten führt Gott kein öffentliches Besuchstagebuch, und so können wir über die Gegebenheiten der misslungenen Besuche nichts sagen.
Die Frage des Petrus
Die Verheißung, dass Gott diejenigen Gläubigen bedient, die das Licht anhaben, wenn er kommt, ist so extrem, dass Petrus sich jetzt denkt: Das kann doch nicht für normale Gläubige gedacht sein. Dass kann doch nicht sein, dass der normale Gläubige, der einfach nur so wachsam ist, dass er merkt, wenn Gott kommt, dass der so dermaßen überdimensioniert gesegnet wird. Das kann doch höchstens für ein paar Auserwählte sein.
Also fragt Petrus: Lukas 12,41
41Petrus aber sprach zu ihm: Herr, sagst du dieses Gleichnis zu uns oder auch zu allen?
Auf den ersten Blick sucht man vergebens nach einer Antwort von Jesus.
Denn als nächstes erzählt Jesus ein Gleichnis.
Aber in dem Gleichnis kommen nur diejenigen vor, die in der Gemeinde in irgendeiner Form Verantwortung übernehmen.
Noch ein Gleichnis
Lukas 12,42–44
42Der Herr aber sprach: Wer ist nun der treue und kluge Verwalter, den der Herr über seine Dienerschaft setzen wird, um ihr die zugemessene Speise zu geben zur rechten Zeit?
43Glückselig jener Knecht, den sein Herr, wenn er kommt, bei solchem Tun finden wird!
44In Wahrheit sage ich euch, dass er ihn über seine ganze Habe setzen wird.
Auch hierbei handelt es sich nicht um eine Geschichte über den jüngsten Tag. Denn soweit wir wissen, wird es am Ende der Welt nichts mehr zu beherrschen oder zu verwalten geben, sondern dann sind die Gläubigen eins mit Gott. Es gibt dann keine Trennung mehr zwischen Gottes Besitz und dem Rest der Welt.
Wenn hier jemand über Gottes Besitz gesetzt wird, dann geht es um sowas wie Vollmacht.
Und die katholischen Ausleger schreiben natürlich: Es geht hier um den Papst. Darum geht diese Rede ja auch an Petrus.
Aber auch in dem Gleichnis von den anvertrauten Pfunden (Lk 19,17) bekommt man die Vollmacht über 10 Städte, wenn man gut war. Und da waren es 10 Kandidaten, was in der Bibel eine symbolische Zahl für eine große Menge ist.
Diejenigen, die Verantwortung in der Gemeinde übernehmen und das im Sinne Gottes machen, die bekommen solche Möglichkeiten - das ist überirdisch.
Und natürlich: Das steht alles schon in den Psalmen und bei Jesaja. Aber die Psalmen sind nur Poesie, und den Jesaja kann man doch nicht ernstnehmen.
Und darum stellt Petrus diese Frage über das Ausmaß des Segens Gottes.
Was die Antwort ist
Auf Petrus seine Frage lautet, wie gerade gelesen, die Antwort:
Diejenigen „normalen“ Gläubigen, die das Licht auch dann anlassen, wenn eigentlich nichts zu erwarten ist, und die das deshalb mitbekommen, wenn Gott kommt, und die Gott dann auch empfangen können, die werden von Gott bedient. Ein unglaubliches Privileg, wenn man bedenkt, welche Macht und welche Liebe und welcher Reichtum dahinter steckt.
Sicher, das ist nicht neu. Das hatte David schon im Psalm 23, dass Gott ihm den Tisch deckt im Angesicht seiner Feinde und dem David den Becher so voll schenkt, dass der überläuft.
Diejenigen jedoch, die wiederum diesen bedienten Dienern dienen, die bekommen Vollmacht über Gottes gesamten Besitz.
Und die Erfahrung zeigt, dass die Gläubigen bis heute nicht glauben, dass das stimmt.
Was bleibt
Nichtsdestotrotz: Lassen Sie das Licht an, und laufen Sie in Blaumann oder Kittelschütze rum.
Gegen alle Logik. Gegen jede Wahrscheinlichkeit. Gegen Tante Gertrud. Und gegen jeden Trend.
Es lohnt sich.