Lukas 19, 1-10 – Warum nicht schon früher?
Natürlich haben Sie diesen Quatsch auch schon bemerkt.
Warum hat Zachäus mit seiner Umkehr zu einem gottgefälligem Leben eigentlich gewartet, bis Jesus bei ihm zu Hause aufschlug?
Der hat doch schon vorher gewusst, dass es so, wie er handelt, nicht richtig ist.
Der war über den Willen Gottes so umfassend informiert, dass er hinterher die Rückzahlung an die Geschädigten genau nach den strengsten Vorschriften des Gesetzes gestaltete. Und ich glaube nicht, dass er diese Vorschriften aus Exodus 21,37 erst nachschlagen musste. Oder dass er Jesus erst fragen musste: „Äh, Meister, wie geht das jetzt nochmal mit der Rückerstattung nach Mose?“
Sicherlich hat die Mama vom Zachäus ihm erzählt, dass der Beruf des Zöllners nicht geht und dass so ein raffgieriger Zöllner schon gar nicht geht.
Ohne Zweifel haben die Schriftgelehrten ihm gesagt, was sie von seinem Verhalten halten, und möglicherweise war er auch aus der Synagoge ausgeschlossen, weil er als religiöser und nationaler Verräter galt.
Und was die Bevölkerung von ihm hielt, kann man ja daran erkennen, dass sich niemand die Mühe machte, ihm einen Blick auf Jesus zu ermöglichen.
Von daher kann man auch dem Bericht des Lukas glauben, der nichts davon schreibt, dass Jesus dem Zachäus erstmal die Regeln erklärt.
War nicht nötig. Zachäus kannte die Regeln, die Gebote, den Willen Gottes.
Trotzdem nicht.
Bleibt die Frage: Warum hat Zachäus nicht auf seine Mama gehört oder auf die Schriftgelehrten oder auf die Leute?
Der hätte sich längst bekehren können!
Und dass er auf diesen Baum stieg, zeigt doch, dass er wusste, dass irgendwas nicht stimmte.
Nun, das Problem ist nach wie vor aktuell in unseren Gemeinden. (Und in der Welt sowieso.)
Die Menschen sehnen sich nicht nach der richtigen Lehre. (Davon hatte Zachäus genug.)
Man vermisst auch nicht moralische Forderungen zu anständigem Leben. (Damit war Zachäus ausreichend versorgt.)
Niemand verzehrt sich nach biblischer Weisheit. Zachäus hatte als Jude jede Menge davon gehört – wie man an seiner Gesetzeskenntnis sehen konnte.
Und kein Mensch lebt von Informationen über Gott.
Und darum lebte Zachäus vom Geld und von der Macht, die ihm als Zöllner von Amts wegen gegeben war.
Denn alles andere, was seine religiöse Umgebung ihm anbot, konnte seine Sehnsucht nicht erfüllen.
Das Andere
Und dann kam Gott selbst.
Zwar in Jesus, aber da war bekanntermaßen genügend Gott drin.
Und in dem Moment, wo Gott selbst zu Ihnen kommt, da sind alle Zweifel an Gott dahin.
Die Menschen sehnen sich nach Gott.
Die Informationen über Gott sind Beiwerk, die Bibel ist Hilfsmittel, und die Moral ist Quatsch.
Gott selbst ist der heiße Scheiß.
Das war ja der Beweggrund des Zachäus, den Lukas uns extra mitteilt: Lukas 19,3
3Und er suchte Jesus zu sehen, wer er sei;
Vielleicht ist die Frage „Wer ist Jesus?“ für uns heute nicht mehr so relevant, aber als Jesus auf der Erde rumlief, war die entscheidende Frage: Ist er Gott? Ist er der Messias?
Natürlich ist das auch die Frage von Weihnachten: Wer kam da auf die Erde?
Denn wenn Gott tatsächlich persönlich zu uns kommt – das macht dann schon einen Unterschied.
Dann wären wir nachweislich wichtig.
Dann hätte Gott unzweifelhaft ein Interesse an uns.
Dann wäre plötzlich und in Wahrheit alles anders.
Die Kletterei
Natürlich kann man nicht erkennen, ob Jesus gleich Gott ist, wenn man ihn von einem Baum aus betrachtet.
Flüchtig. Im Vorübergehen. In der Masse.
Aber die Kletterei war die einzige Möglichkeit, die Zachäus hatte.
Er konnte Jesus ja nicht zu einem Gentest zwingen. (Würde auch nichts nützen, denn wir kennen Gottes genetischen Fingerabdruck nicht.)
Aber weil durch die Kletterei offensichtlich war, dass Zachäus sich dafür interessierte, wer Jesus war, darum gab Jesus ihm die Möglichkeit, das rauszukriegen.
Sicher, die Pharisäer wollten es auch wissen.
Aber nicht aus edlen, heiligen Motiven.
Sie wollten das Wissen über die Person Jesu als Werkzeug und Waffe verwenden.
Zachäus wollte sein Leben drauf aufbauen.
Darum bekam Zachäus die Möglichkeit, die Wahrheit über Jesus zu erkennen.
Das Neue
Eine der Neuerungen hier ist, dass der Mensch nicht mehr zu Gott hingehen muss.
Das war vorher so: Um Gott zu treffen, musste man zum Tempel in Jerusalem, denn dort wohnte Gott.
So war zumindest die Lehre.
In der Realität ist Gott natürlich seit langem zu allen möglichen Menschen hingegangen, von Abraham über Mose, von Elia über Daniel, von Simeon über Zacharias und Maria. Aber das waren natürlich alles Menschen, die ein gewisses Maß an Glauben oder Reinheit hatten.
Das Problem war, dass Leute wie Zachäus sich nicht trauten, zu Gott hinzugehen. (Also in den Tempel.)
Man erfüllte ja die Kriterien nicht.
Wobei es nicht unbedingt Gott war, der einem sagte, dass man die Kriterien nicht erfüllte. Oft war es auch nur die Umwelt.
Aber jetzt ging Gott selbst zu diesen Menschen hin, ganz offiziell. In Person von Jesus.
Wenn aber Gott selbst zu den (ungenügenden) Menschen kommt, dann kann man das Gerede des Umwelt natürlich vergessen. Dass die Umwelt sagt, Gott würde mit solchen Sündern nicht verkehren, ist nun Makulatur.
Zusammenfassung
Das Besondere an der Sache mit Zachäus ist:
1. Gott kommt zu den Menschen. Zu uns. Nach Hause. Sie warten immer noch, dass König Charles Sie besucht, oder Madonna. Aber König Charles hätte den Besuch bei Ihnen nach einem Jahr wieder vergessen.
2. Gott ist entgegenkommend. Sie brauchen nicht Ihr Leben lang zu sparen, um sich die Pilgerfahrt nach Mekka leisten zu können. Gott will das Verlorene finden. Es wird nicht die Leistung verlangt, dass das Verlorene Gott finden muss.
3. Wenn Sie wissen wollen, wie Gott ist, dann ist das jetzt rauszukriegen. Man kann dazu auf einen Baum klettern, aber es gibt auch andere Methoden.
4. Gott ist nicht wählerisch, was die menschliche Vergangenheit angeht. Was das Herz und den Glauben angeht, da ist er wählerisch.
5. Das Wichtige ist Gott selbst. Die Bibel und die Religion sind Beiwerk.
P.S.
Übrigens erklärt uns Lukas nicht, woran Zachäus erkannt hat, dass mit Jesus Gott zu ihm gekommen ist.
Vielleicht, weil die Erkenntnis Gottes etwas ist, was unsere normalen Erfahrungen übersteigt. Normale Erfahrungen kann man beschreiben, weil es Worte dafür gibt, die auch die anderen Menschen dafür benutzen würden. Für die Erkenntnis Gottes gibt es keine irdischen Worte, mit denen man das beschreiben könnte.