Matthäus 1,21 – ein unverlangter Service
Als der Engel des Herrn dem Josef erklärte, was es mit der Schwangerschaft seiner Freundin auf sich hatte, begründet er die Auswahl des Vornamens mit der Aufgabe, die dieses Ungeborene im Leben mal erfüllen sollte. Allerdings liegt bei der Ausbildung der Engel wohl einiges im Argen, denn etwas wirklich Brauchbares fiel dem Engel nicht ein: Mt 1,21
21 Und sie wird einen Sohn gebären, und du sollst seinen Namen Jesus nennen, denn er wird sein Volk retten von seinen Sünden.
Danke, zu gütig. Aber das wäre nicht nötig gewesen.
Was wir auf dieser Welt brauchen, ist nun wirklich nicht „Rettung von unseren Sünden“.
Ist Matthäus tatsächlich so weltfremd?
Guckt der keine Tagesschau und kein Heute Journal?
Sieht er nicht, dass wir vielleicht Demokratie brauchen oder genügend Geld für alle oder mehr Gerechtigkeit oder weniger Krieg?
Vielleicht auch mehr Sachlichkeit anstelle von Verschwörungstheorien?
Ein Mittel gegen Krebs, und eins gegen Malaria und Alzheimer und Parkinson?
Nun, vielleicht müssen wir Matthäus entschuldigen.
Denn eigentlich war es Gott, der auf diese überflüssige Idee kam.
Gott, der angeblich die Liebe ist, der dann aber seine Leute an grausamen Kriegen oder genauso grausamen Krankheiten sterben lässt, aber dafür sind ihre Sünden vergeben, hurra!
Und dann kommen diese Leute in den Himmel!
Auf der Erde war es Scheiße, ja. Und Gott hat wenig dagegen gemacht. Er hat unsere Sünden vergeben. Toll. Aber dafür blüht uns nach dem Elend auf der Erde der Himmel. Halledingsda!
Interessenlage
Möglicherweise ist der Fehler in dieser Betrachtungsweise, dass wir von unseren Wünschen und Bedürfnissen ausgehen.
Denn diese Rettung von den Sünden war ja Gottes Idee.
Die Initiative ging von Gott aus.
Es riecht verdächtig danach, dass Gott das Bedürfnis hatte, uns von unseren Sünden zu retten.
Und dass dieses Bedürfnis Priorität hatte vor anderen göttlichen Bedürfnissen und vor anderen wünschenswerten Projekten.
Möglicherweise müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass Gott der Herr ist und die Maßstäbe setzt und nicht wir.
Die Frage des Warum.
Stellt sich also die Frage, warum Gott uns von unseren Sünden retten will und nicht von den vielen anderen Dingen, die unser Leben oder unsere Seelenlage bedrohen.
Und vermutlich müssen wir dazu die Frage stellen, warum Gott die Menschen überhaupt geschaffen hat.
Was sollte das, was man uns mit der Geschichte von Adam und Eva erzählen will?
Nur, wenn wir wissen, warum Gott die Dinge geschaffen hat, können wir verstehen, warum er in bestimmter Weise mit den Dingen umgeht.
Und da gewinnt man den Eindruck, dass Gott die Menschen für sich geschaffen hat.
Ja, sicher: Wir halten uns gerne für einen Selbstzweck. Oder für einen evolutionär entstandenen automatischen Teil des Naturkreislaufes.
Oder wir stellen uns die Frage gar nicht, denn die Frage nach dem Sinn unserer Existenz wird ohne Gott ziemlich frustrierend.
Die Antwort des Warum
Leider müssen wir sagen, dass wir den genauen Grund für die Erschaffung des Menschen nicht kennen.
Klar, wir haben ein paar Anhaltspunkte: Zum Bilde Gottes; in Gottes Garten hinein; zur Freude Gottes; …
Aber so klar definiert wird das in der Bibel nicht.
Vielleicht wird es deshalb nicht eindeutig erklärt, weil die Menschen die Erklärung gar nicht verstehen würden. Möglicherweise waren Gottes Gedanken bei der Erschaffung der Welt einfach zu hoch für uns Menschen.
Kann sein, dass Gott sich etwas dabei gedacht hat, was wir gar nicht denken können.
Aber Tatsache ist doch wohl: Ich habe Gott nicht darum gebeten, dass die Menschheit erschaffen wird und ich ein Teil davon werde.
Niemand hat Gott um die Erfindung des Universums gebeten. (Weil vor der Erfindung des Universums niemand da war. Naja, vielleicht ein paar Engel. Aber ob die ein Universum gebraucht hätten?)
Sondern Gott hat von sich aus entschieden, das Universum samt Inhalt zu erschaffen.
Ich dachte immer
Ich dachte bisher immer: Gott ist für mich da.
Das erzählen ja auch viele christliche Lieder. Dass Gott dafür da ist, mich zu retten und mich zu beschützen und mir sein Heil zu verleihen und als mein Freund an meiner Seite zu gehen.
Aber bei logischer Betrachtung ist es eigentlich andersherum: Gott hat die Menschen geschaffen, damit die Menschen für ihn da sind.
Schließlich war Gott zuerst da, also ist alles Erschaffene auf ihn hin ausgerichtet.
Und nicht andersherum, dass Gott sich an dem Erschaffenen orientieren müsse und sich nach dem Erschaffenen ausrichten müsse.
Von daher ist es wahrscheinlich nicht so ganz dumm, wenn wir davon ausgehen, dass Gott sich etwas Vernünftiges dabei gedacht hat, als er seinen Sohn nicht zur Beseitigung von Malaria und Angriffskriegen geschickt hat, sondern zur Rettung von den Sünden.
Soviel wissen wir
Wenn wir auf Gott hin orientiert sind und nicht Gott auf uns hin, dann kann man daraus wahrscheinlich schließen, dass Gott eine Beziehung zu uns Menschen haben wollte. Der Mensch war vermutlich nicht als Dekoartikel für Gottes Wohnzimmer gedacht.
Das mit der Beziehung können wir auch daraus schließen, dass Gott sich immer wieder bei Menschen gemeldet hat: Abraham, Mose, Manoachs Frau, Samuel …
Von Gott selbst wurden wir darüber informiert, dass er heilig ist. (Was auch immer das heißt: Vermutlich heißt es eine ganze Menge.)
Und wenn der heilige Gott eine brauchbare Beziehung zu den Menschen haben will – also eine Beziehung, in der auch was läuft – dann muss er den Widerstand gegen Gott, der im Menschen irgendwie angelegt ist, beseitigen. Oder ungültig machen. Oder verwandeln.
Dass der Mensch die Wahlmöglichkeit, die Gott ihm gegeben hat, meistens falsch nutzt. Das muss man abstellen. (Nicht die Wahlmöglichkeit. Die muss bleiben. Wegen der Freiheit.)
Wenn Gott und Mensch gegeneinander stehen – das wird keine vernünftige Beziehung. Das gibt endlosen Streit.
Infolgedessen hat Gott Jesus geschickt, um etwas gegen die Sünde zu unternehmen und nicht primär gegen die zahllosen Probleme unseres Lebens.
Offenbar meint Gott, dass das größte Problem unseres Lebens die Trennung von Gott ist. Nicht die Armut, nicht die Kriege, nicht die Krankheiten.
Der Klimawandel ist für Gott kein Problem. Die Sünde ist für Gott das Problem. Weil der heilige Gott mit den unheiligen Menschen nichts anfangen kann. Es würde nicht funktionieren.
Darum schickt Gott dieses Baby zur Erlösung von den Sünden.
Nicht zur Vergebung der Sünden.
Zur Erlösung.
Die Sünde wird nicht mit einem Mäntelchen bedeckt, so dass man sie nicht mehr sieht.
Ihr wird die Macht genommen.
Angemessene Methoden
Die Sünde ist eine übernatürliche Sache, denn sie beschreibt die Beziehung zu Gott. Ohne Gott gäbe es keine Sünde. Auch am Menschen kann man nur sündigen, weil Gott hier Vorgaben gemacht hat und der andere Mensch von Gott wertgeachtet wird.
Die Sünde ist also kein natürliches Problem, wie dass meine Tomaten nicht wachsen oder ich Zahnschmerzen habe. Sondern sie ist ein Problem, das ich mit dem Himmel habe. Oder der Himmel mit mir.
Für ein übernatürliches Problem brauchen wir aber eine übernatürliche Lösung. Darum hat Gott auch nicht den Caesar geschickt, sondern seinen Sohn.
Und der kam nun zu den Menschen und musste ein übernatürliches Problem lösen. Was, wie ich schon erwähnte, mit natürlichen Mitteln nicht geht.
Darum hat Jesus keine Suppenküche aufgemacht und keine Armenspeisung angeboten. Das sind natürliche Methoden. Das könnte jeder von uns, ohne Gott.
Wenn Jesus etwas mit Lebensmitteln gemacht hat, war es hochwertiger Wein für eine Hochzeit oder Fischbrötchen für die, die ihm zugehört hatten – aber wie die Jünger selbst sagten: Diese Leute hätten auch in die umliegenden Orte gehen und sich etwas kaufen können. Das war keine Armenspeisung, sondern ein Zeichen dafür, was man davon hat, wenn man Jesus zuhört.
Und dass Jesus dem Petrus zweimal eine Palette voller Fische geliefert hat, war sicher nett. Aber Petrus wäre auch ohne das nicht durch Mangelernährung krank geworden.
Und als Judas das viele Geld den Armen geben wollte, hat Jesus der Frau mit dem Parfüm den Vorzug gegeben.
Statt dessen hat Jesus gesagt Joh 6,35
35 Jesus sprach zu ihnen: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, wird nicht hungern, und wer an mich glaubt, wird nie mehr dürsten.
Und es gibt ja genügend Leute, die behaupten, davon werden sie nicht satt.
Keine Gefangenen
Der Jesus hat auch niemanden im Gefängnis besucht – nicht mal den Täufer. Und da wäre ein bisschen Rückendeckung ja nun wirklich angemessen gewesen.
Und was das Geld angeht – den Erbschaftsbetrug wollte Jesus nicht regeln, weil er es nicht für seinen Job hielt. Die Münze hat er sich nur geben lassen, weil er sehen wollte, wessen Kopf da drauf ist, und die Tempelsteuer wurde vom Fisch bezahlt, weil Jesus auf keinen Fall wollte, dass Petrus dachte, Jesus hätte es bezahlt.
Jesus hat eine ganze Menge Gleichnisse über Geld und Schätze erzählt, aber man wird wohl annehmen dürfen, dass es da meistens in Wahrheit gar nicht um Geld ging. Aber Jesus hat kein Geld verteilt. Weder an die Armen, noch als Belohnung oder Korruption an seine Freunde.
Beseitigung der Sünde? Ja. Beseitigung der Armut? Keine Rede.
Zusammenfassung
Dieser Artikel fing damit an, dass ich festgestellt habe, dass die Tätigkeitsbeschreibung des Ungeborenen nicht dem entsprach, was wir uns auf der Erde so vorstellen.
Das Ungeborene wird nicht die Armut beseitigen und nicht die Kriege beenden.
Sondern es wird Gottes Volk von den Sünden erlösen.
Und nur Gottes Volk.
Die Erlösung von den Sünden ist nur für die von Bedeutung, die im Reich Gottes sind oder hinein wollen. Denn dort sind die Sünden ein No-Go.
Im Reich Gottes verhindern die Sünden Gottes Wirken, Gottes Segen, Gottes Nähe. Das war übrigens schon im alten Israel so: Sünde verursachte, dass man unrein wurde und für die Dauer der Unreinheit nicht in den Tempel gehen durfte, also nicht in Gottes Nähe erscheinen durfte.
Und manchmal sogar sich nicht einmal Gottes Freunden nähern durfte. Weil man dann in gewisser Hinsicht auch in Gottes Nähe kam.
Das Ungeborene wird das Volk Gottes von den Sünden erlösen.
Und damit tut es das, was in Gottes Augen das Wichtigste ist.
Denn Gott will als sein zentrales Ziel sein Reich bauen.
Und dafür braucht er Leute ohne Sünden. Nicht Leute ohne Krebs oder Krieg.