1.Timotheus 2,2 Beten für Diktatoren

Man ist ja nicht zufrieden mit der Regierung.

Genaugenommen ist man niemals zufrieden mit der Regierung.

Egal, ob sie demokratisch oder diktatorisch ist, militärisch oder zivil.

Mit dem Bürgermeister ist man auch unzufrieden, und die Chefin in der Firma macht es auch nicht richtig.

Dauernd und ständig wird gegen alles und jeden demonstriert.

Liegt wahrscheinlich daran, dass die Menschen das nicht haben können, wenn man ihnen Vorschriften macht.

Da wird man aber spätestens seit Römer 13 zur Kenntnis nehmen müssen, dass das eine Einrichtung Gottes ist, dass die einen die Macht über die anderen haben.

„Macht“ ist vermutlich eines der göttlichsten Prinzipien überhaupt.

Umfassender noch als „Liebe“.

Denn es gibt keinen machtfreien Raum auf der Welt, sofern sich zwei Lebewesen begegnen. Selbst Pflanzen führen einen Machtkampf um Licht und Wasser und Platz und nicht gefressen werden.

Folglich teilt Paulus der Gemeinde des Timotheus mit, dass sie die Macht nicht nur anerkennen sollen. Das sowieso.

Wobei es hier nicht um die Macht des Tigers oder der Bakterien geht.

Sondern es geht hier um die in einer Zivilisation geordnet vorherrschenden Strukturen von Macht.

Und diese Macht innerhalb der menschlichen Gesellschaft soll nicht nur als von Gott gegeben anerkannt werden, sondern man soll für die Leute mit der Macht auch noch beten.

Was in der damaligen Gesellschaft und in vielen heutigen immer noch heißt: Beten für Diktatoren und korrupte Politiker.

Coole Idee, Gott!

Warum denn nur?

Also Abschaffen geht nicht. Wenn die Macht der Zivilgesellschaft sich auflöst, haben wir die Macht des Stärkeren. Das ist wie Urwald. Das dürfte nur den wenigen Starken gefallen, solange ihre Stärke anhält.

Die (ohnehin immer schlechte) Regierung einfach dulden, würde uns zu Opfern der Mächtigen degradieren. Christen sind aber keine Opfer, von nichts und niemandem.

Wenn wir aber für die Mächtigen beten und damit Gottes Kraftströme und Gottes Liebesströme und alle anderen göttlichen Ströme zu ihnen lenken, dann haben wir die Macht. Wenn wir Gottes Macht auf die Mächtigen herniedertauen lassen, dann setzen wir unsere von Gott gegebene Macht angemessen ein.

Und wir relativieren damit die Macht der Mächtigen. Wir machen nämlich deutlich, dass wir wissen, dass die Mächtigen nur deshalb die Mächtigen sind, weil Gott das System so eingerichtet hat. „König von Gottes Gnaden“ hat man das früher genannt.

Indem wir für diese Leute beten, machen wir deutlich, dass wir wissen, dass die eigentliche und größte Macht immer noch Gott hat und keine Regierung der Welt.

Aus welchem Anlass schreibt Paulus dies?

Timotheus hatte es in seiner Gemeinde mit der sogenannten „Gnosis“ zu tun. Das war eine Bewegung innerhalb der Christenheit, die das Christentum eher wie ein Kloster betreiben wollte. Man proklamierte die Abschottung von der Welt, weil die Welt in sich böse und unrein war, und das Ziel des Gläubigen sollte – ähnlich wie bei vielen asiatischen Religionen – eine geistliche Reinigung und Erhöhung sein. Zu diesem Zweck musste man sich aber von der Welt unbefleckt halten, und von der Materie (einschließlich der Mächtigen) war keine Hoffnung und keine Besserung zu erwarten.

Paulus schreibt gegen diese Auffassung an.

Und er beschreibt, dass Heil und Rettung nur mit dieser Welt und durch diese Welt erreicht werden können. Gottes Methode, das Gute, das Beste und das Allerbeste durchzusetzen, ist diese Welt.

Und es sind auf dieser Welt weniger die Blümchen und der Vogelgesang, sondern die Menschen.

Betet für die, die einzig und allein Gottes Willen durchsetzen können, sagt Paulus.

Und das sind die Menschen.

Und je mächtiger, um so mehr.