Das wirkungslose Abendmahl

In der evangelischen und freikirchlichen Welt ist das Abendmahl ohne Wirkung.

In der katholischen Welt nimmt man mit dem Abendmahl zumindest den realen Leib Jesu zu sich, weil durch die Einsetzungsworte während der Eucharistiefeier die Substanz der Oblate verändert wird. Der Volksglaube (nicht nur) des Mittelalters machte dann daraus, dass man in den Himmel kommt, wenn man am Sonntag vor seinem Tod an der Eucharistiefeier teilgenommen hat. Man hat also sozusagen die Sündenvergebung für die nächste Woche gegessen.

Man versprach sich also vom Abendmahl schon eine gewisse Wirkung.

In der heutigen evangelischen Kirche sind die Formulierungen zum Abendmahl dermaßen schwammig und abgehoben, dass eine Wirkung des Abendmahles nicht beschrieben werden kann. Wikipedia beschreibt das evangelische Sakrament des Abendmahls so: „Zeichen und Zeugnis des göttlichen Willens, wodurch der Glaube einerseits geweckt, andererseits auch gestärkt wird. Nur der Glaube kann das Heil im Sakrament ergreifen.“

Diese Formulierung ist so wolkig und nebulös, dass sie eines Jesus eigentlich unwürdig ist. Derartig konturlose Sprüche und Taten sind von dem nicht überliefert.

Während die evangelischen Kirchen immer noch von einer „Realpräsenz“ des Christus im Abendmahl ausgehen, ist es in den meisten Freikirchen nur ein Erinnerungsmahl. Damit entfaltet es per se keine Wirkung.

Und somit ist das Abendmahl in den hier besprochenen Gemeinden heutzutage eine leere liturgische Hülle, von der keinerlei Wirkung ausgeht.

Der Einwurf

Zweifellos kommt gleich jemand und sagt: „Mir bedeutet das Abendmahl aber viel!“ oder „Mir gibt das aber etwas!“

Der Einwerfer ist damit neben dem Thema. Wir reden hier nicht über Gefühle. Wir reden über Kraft. Über Wirkung. Damit Gläubige sich in einem Gottesdienst wohlfühlen, dafür gibt es eine ganze Reihe methodischer Kniffe. Über Gott oder Gottes Anwesenheit oder ähnliches sagen die Gefühle der Gläubigen überhaupt nichts aus.

Darum reden wir hier nicht über Gefühle, wir reden über Kraft. Wir reden hier nicht über Wirkungen, die der einzelne Gläubige sich individuell einredet oder die er aufgrund seiner religiösen Erziehung oder weil der Pastor es sagt in sich selber erzeugt.

In diesem Text geht es um nachweisbare, objektive Wirkungen, nicht um subjektives Empfinden.Abendmahl

Außerdem ist derjenige, der mir sagt, das Abendmahl bedeute ihm soviel, der gleiche, der jedes Jahr in die Toskana fährt, weil ihm das soviel gibt, oder der ins Bruce Springsteen Konzert geht und dort so ergriffen wird von der Musik. Das sind alles wunderbare Dinge, aber wenn das Abendmahl des Herrn mit der gleichen Begrifflichkeit bedacht wird, dann stimmt doch wohl irgendwas nicht.

Das prinzipielle Abendmahlsproblem

Wir haben bezüglich des Abendmahls prinzipiell das Problem, dass wir nicht wissen, welchen Sinn und Zweck es eigentlich haben soll.

Als Jesus das Abendmahl eingesetzt hat, hat er die beiden „Symbole“ Brot und Wein gedeutet und gesagt, was sie darstellen, und er hat gesagt, wenn man das Abendmahl veranstaltet, dass das dann „zu seinem Gedächtnis“ sei. Dabei ist „zu meinem Gedächtnis“ ein Begriff, der als einzigen brauchbaren Inhalt die Aussage enthält, dass die Sache etwas mit dem „Denken“ an Jesus zu tun hat.

Die Idee, dass wir beim Abendmahl an das denken sollen, was Jesus für uns auf sich genommen hat, damit wir … tja, was eigentlich? Jeden Sonntag ein schlechtes Gewissen bekommen? Damit wir jeden Sonntag dankbar sind und uns in Folge dessen einmal wöchentlich niedrig und unwürdig fühlen?

Sie sehen jetzt vielleicht, dass das Ziel des Abendmahls überhaupt nicht beschrieben ist. „Zerknirschung“ scheint allerdings nicht das Ziel zu sein, zumindest wenn man die Beschreibung in Apg 2,42ff zugrunde legt oder die Vorfälle beim Abendmahl in Korinth.

Ich mache jetzt mal meinen Satz von 2 Absätze weiter oben fertig: Die Idee, dass wir beim Abendmahl an das denken sollen, was Jesus für uns auf sich genommen hat, kommt ja nur daher, dass im Neuen Testament fast nichts übers Abendmahl drinsteht und wir nichts anderes haben als „den Leib, für euch gegeben“ und „das Blut des neuen Bundes, für euch vergossen“.

Und daraus macht man dann ein vergangenheitsbezogenes Gedenken, voll und ganz auf dem Boden des Alten Testamentes, wo es ja immer hieß, dass die Israeliten dessen gedenken sollten, was Gott in der Vergangenheit an ihnen getan hat. Diese Vergangenheitsbezogenheit lag im Alten Bund daran, dass Gott dort in den meisten Fällen mittelbar handelte. Will heißen: Man hatte eine gute Ernte, weil Gott gesegnet hatte. Das Handeln Gottes war aber nicht zu sehen; zu sehen war nur das Ernteergebnis. Gelegentlich wird im Alten Testament ja auch auf solche Ergebnisse Bezug genommen (Deut 29,4). Aber Gottes nachweisbares Eingreifen und Reden war sehr selten, und an diese wenigen Ereignisse von Gottes direktem Wirken sollten die Israeliten denken, weil es mehr eben nicht gab.

Von daher war das Denken des Alten Testamentes natürlich vergangenheitsbezogen, weil in der Gegenwart nicht viel lief. Gottes Anwesenheit war sehr verborgen und nur von begrenzter und indirekter Wirksamkeit.

Im Neuen Testament ist es aber genau andersherum. Das, was mit Leib und Blut Jesu geschah, war ja erst der Anfang. Das richtig große geschah ja drei Tage später und dann noch einmal 40 Tage später. Und da dieses Große nicht vorbei ist, sondern anhält, ist das Gedenken an Jesu in der Vergangenheit stattgefundene Hingabe während des Abendmahls eine verwunderliche Sparversion. Wenn man den großen König in der Mitte der aktuellen Gemeinschaft hat, sich aber statt auf seine Gegenwart auf seine Vergangenheit konzentriert, dann ist das zumindest seltsam.

Die wahrscheinliche Lösung

wirkungslosEs ist wahrscheinlich so, wie es bei all den Dingen ist, bei denen Gott eigentlich in der heutigen Gemeinde unmittelbar handeln will. Also auch bei Weissagung, Prophetie, Zungenreden, der Überführung der Ungläubigen durch die Gläubigen (1.Kor 14,24f) und all den Bibelstellen, die das direkte Reden Gottes beschreiben: Die Gemeinde kann mit den Dinge, bei denen Gott unmittelbar (direkt) handelt, nichts anfangen.

Aber während man Weissagung einfach weglassen kann und „meine Schafe hören meine Stimme“ einfach umändern kann in „meine Schafe lesen die Bibel“, kann man das Abendmahl schlecht vergewaltigen. Es ist zu zentral. Und es ist in seiner Komposition zu seltsam.

Wahrscheinlich ist es genauso wie bei den anderen, für normale Christen unverständlichen Sachen auch: Das Abendmahl ist als direktes Handeln Gottes gedacht.

Vielleicht kann man das auch daran erkennen, dass auch die anderen Vorgänge innerhalb der Gemeinde, die ein unmittelbares Handeln Gottes darstellen, nicht lehrmäßig beschrieben werden: Zungenrede, Prophetie, Weissagung, das Hören von Gottes Stimme usw..

Das direkte Handeln

Wenn Jesus da, wo zwei oder drei in seinem Namen (!) versammelt sind, tatsächlich anwesend ist, dann sind Brot und Wein die Methodik, durch die Jesus mit uns zu Tisch sitzt. Damit wir nun auch eine Möglichkeit des Umgangs mit dem anwesenden Jesus haben (außer mit ihm zu reden), damit wir also sozusagen auch etwas materielles von ihm haben, dafür hat uns Jesus die Teile des Abendmahls gegeben. Damit wir sicher sein können: Er ist jetzt da.

Und während man so das Abendmahl nimmt, kann man etwas erleben.

Mit ihm.

Das geht aber natürlich nur, wenn die direkte Anwesenheit der göttlichen Personen auch ansonsten gegeben ist. Wenn der Heilige Geist nicht nachweisbar da ist, dann wird man beim Essen des Abendmahls gar nichts erleben, denn man hat zwar Brot und Wein, aber die dazugehörende Person fehlt.

Wenn Jesus aber tatsächlich da ist, dann ist das Abendmahl Teil der Kommunikation und des tatsächlichen Umgangs der Gemeinde mit Jesus und dem Heiligen Geist und führt zu Wirkungen, die man genauso wenig beschreiben kann wie das Hören der Stimme Gottes oder woher der Mensch mit der Gnadengabe der Lehre eigentlich weiß, was er lehren soll.

Direkte Erfahrungen mit Gott entziehen sich prinzipiell jeder Beschreibung, da es nichts Vergleichbares auf der Erde gibt.

Nicht wirkungslos

Eigentlich ist das Abendmahl also nicht als wirkungslos gedacht, allerdings wird seine Wirkung nirgends in der Bibel genannt. Das ist auch richtig so, denn derjenige, der die Erfahrung macht, weiß ja, dass er sie gemacht hat, und derjenige, der keine Erfahrung macht, wird nicht dazu verführt, eine „Erfahrung“ künstlich herbeizuführen oder sie zu behaupten, weil es ja ohne diese eine spezielle Erfahrung nicht richtig ist. Die fehlende Beschreibung der Wirkungen des Abendmahls verhindert also Heuchelei.

Dass man mit dem Abendmahl irgendwie mehr hat als nur eine Aktion, bei der man an etwas denkt, sieht man auch daran, dass Paulus in 1.Korinther 11,27 schreibt, dass derjenige, der das Mahl in unpassender Weise nimmt, am Leib und Blut Christi schuldig wird. Wenn Brot und Wein nur Symbole wären, könnte man durch ihre Missachtung nicht an Teilen der realen Person Christi schuldig werden. Wer die amerikanische Flagge verbrennt, wird ja auch nicht schuldig an den Vereinigten Staaten.

Die scheinbare Wirkungslosigkeit des Abendmahls in den freikirchlichen Gemeinden hat also vor allem etwas damit zu tun, dass es in diesen Gemeinden auch sonst keine unmittelbaren Wirkungen Gottes gibt. Folglich erwartet man beim Abendmahl ebenfalls keine.