Der Streit um die Kindertaufe

Wenn der Streit um die Kindertaufe geführt wird, wird er in 99,99999% der Fälle nicht sachlich geführt.

Das hängt damit zusammen,

  • dass die Menschen, die selber als Kinder getauft wurden, auf keinen Fall wollen, dass ihre Taufe für „ungültig“ erklärt wird und sie selbst plötzlich ein Defizit haben und irgendwas unternehmen müssten.
  • dass die Volkskirchen auf diesem Wege ihre Kirchensteuerzahler rekrutieren. Wenn die Kirchen allein auf die Spenden (oder Kirchensteuer) von den Menschen angewiesen wären, die sich aus eigenem Antrieb taufen lassen und damit Mitglied einer Volkskirche würden, sähe die Finanzlage kläglich aus.
  • dass die Taufe unter den Kirchenmitglieder als Freifahrschein in den Himmel verstanden wird. Wenn Du als Baby getauft wurdest, kann Dir in der Ewigkeit nicht mehr viel Schlimmes passieren. Und wer möchte einen solchen Freifahrschein schon aufgeben?
  • dass einige Freikirchen und Sekten die Gläubigen einzig an ihre Glaubensgemeinschaft binden wollen und einen eventuellen Wechsel der Gläubigen zu anderen Gemeinden möglichst verhindern wollen. Dafür brauchen sie aber eine einzig wahre Taufe für ihre Gemeinschaft und können die Babytaufe nicht anerkennen.
  • dass besonders charismatische Gemeinden verhindern wollen, dass sie Menschen in ihren Reihen haben, die sich als vollwertige Gemeindemitglieder verstehen und alle Rechte beanspruchen, denen aber die Kraft, die mit der Taufe verliehen wird, absolut fehlt und die deshalb die Gemeinde nur ausbremsen.
  • dass „sich taufen lassen als Erwachsener“ als eine arge Demütigung wahrgenommen wird, in der man etwas mit sich machen lassen muss und wo man sich den Regeln der Gemeinde öffentlich unterwerfen muss. Soviel Demut hatte man aber für das eigene Leben nicht eingeplant.
  • dass es besonders in der letzten Hälfte des 20.Jahrhunderts oft einfach nur ums Rechthaben ging, um die reine Lehre, um „wir sind die einzig richtigen“. Damit waren „wir“ natürlich auch die einzigen, die die richtige Taufe hatten.
  • dass das Neue Testament als ein Gesetzbuch angesehen wird, dessen Anweisungen aufs genaueste durchgeführt werden müssen, weil sonst die ewige Seligkeit auf dem Spiel steht. Man übersieht dabei, dass das Gesetz abgeschafft (oder durch Erfüllung abgeschafft) ist.
  • dass jede Menge massive Drohungen existieren, gegen deren Ausführung nur die Babytaufe hilft, als da z.B. wären
    • eine Erbsünde mit all ihren furchtbaren Folgen
    • eine Hölle für Ungläubige (=ungetaufte). Die Bibel kennt die Hölle aber nur für schlechte Gläubige, nicht für Ungläubige. Ausnahme: Offenbarung ganz hinten.

Beim Streit um die Kindertaufe geht es also in vielen Fällen eigentlich nur um Macht.

Erfreulich ist allerdings, dass sich unter den rein biblischen Gemeinden quer durch die freikirchliche Szene hindurch seit der Jahrtausendwende eine relativ einheitliche Meinung bezüglich der Tauffrage durchgesetzt hat.

Das zeigt, dass wenn die Machtfrage einmal draußen ist und man die Tauffrage anhand der Bibel (und von mir aus auch anhand der Kirchengeschichte) sachlich und ergebnisoffen betrachten kann, das Ergebnis relativ eindeutig ausfällt.

Dass die Babytaufe in einigen freikirchlichen Gemeinden heute durch die Kindersegnung ersetzt wird und somit durch die Hintertür wieder in die Gemeinden reinkommt, ist einer ängstlichen, unsicheren Haltung der Eltern geschuldet, die dann auch gerne sagen: „Wenn unser Kind bei euch nicht gesegnet wird, dann gehen wir in eine andere Gemeinde, wo dieser Service geboten wird.“ Und wir nehmen unsere Kollekte mit …

Womit wir wieder beim Thema „Macht“ sind.