Mefi-Boschet

Vieles im Leben von König David kann man historisch nicht genau festnageln.

Der Chronist, der die Dinge aufgeschrieben hat, hat nicht immer chronologisch geschrieben, sondern oft auch thematisch sortiert.

Folglich ist nicht erkennbar, wann die Geschichte mit Mefi-Boschet eigentlich ihren Anfang nahm.

War halt auch ein schwieriges Verhältnis, das David zur Familie von Saul und Jonathan hatte.

Wobei David persönlich wohl keinen Hass oder ähnlich negative Gefühle gegen diese Leute hegte.

Allerdings war er gezwungen, weil er die Hungersnot abwenden musste, 2 Söhne und 5 Enkel von Saul hinrichten zu lassen. Das war aber eine Forderung, die auch Gott unterstützte (2.Samuel 21).

Aber schon anlässlich dieser (nicht datierbaren) Gelegenheit wird uns gesagt, dass David bemüht war, Mefi-Boschet zu schonen.

Weil David einen Bund mit dem Vater von Mefi-Boschet gemacht hatte (1.Samuel 20,42), der sich auch auf die Nachkommen bezog.

Wie die Geschichte mit Mefi-Boschet anfing

Der Bund mit Jonathan selbst war durch dessen relativ frühen Tod nicht mehr zum Tragen gekommen, und das tat David nach wie vor leid. So kam ihm die Idee, doch einmal nachzuforschen, ob es nicht noch einen Verwandten von Jonathan gäbe, an dem er das Versprechen stellvertretend einlösen konnte.

Allerdings ging das Kindermädchen von Mefi-Boschet beim Tod von Saul und Jonathan von der irrigen Annahme aus, dass es nun gehen würde, wie es immer bei einem Dynastiewechsel geht: Dass nämlich der neue König sämtliche Nachkommen des alten Königs töten lässt, um sicher zu sein, niemals wieder mit alten Ansprüchen auf den Thron konfrontiert zu werden.

Also floh sie sehr hastig mit dem 5jährigen Mefi-Boschet unter dem Arm, und sie fiel in der Hektik so ungeschickt hin, dass das Kind für den Rest seines Leben an den Beinen gelähmt war.

Als David sich nun umhörte, ob es noch einen Verwandten von Jonathan gäbe, stießen seine Privatdetektive auf einen Knecht, der schon unter Saul gedient hatte und der dann von David übernommen worden war.

(Wobei man sich diesen „Knecht“ nicht unbedingt als Stallburschen vorstellen muss. Der könnte auch ein hochrangiger Gutsverwalter oder Abteilungsleiter gewesen sein.)

Und dieser Knecht namens Ziba behauptete, es gäbe da tatsächlich noch jemanden, nämlich eben diesen Mefi-Boschet, und Ziba wusste auch, wo der wohnte. Aber Ziba fügte noch hinzu: „Der ist an beiden Füßen gelähmt.“ Also ein Krüppel. Nicht der Rede wert, für David unbrauchbar.

Tischordnungen

Nun gab es damals an den Königshöfen die Tafel des Königs. Das war nicht etwas, wo man mit Kreide drauf schreiben konnte, sondern das war der Tisch, an dem die vom König davon ausersehenden Persönlichkeiten zusammen mit dem König essen durften, und zwar ständig. Auch wenn der König verreist war.Mefi-Boschet

Die Plätze an dieser Tafel waren personengebunden, so dass es sofort auffiel, wenn jemand nicht kam, weil dann ein Platz leer blieb.

(Das sieht man z.B. in 1.Samuel 20,25).

An des Königs Tisch saßen natürlich nur erlesene Persönlichkeiten. Und als nun ein Stuhl dazugestellt wurde, erwarteten natürlich die anderen am Tisch jemanden ihresgleichen.

Aber wer kam? Mefi-Boschet. Mittlerweile ein erwachsener Mann, konnte sich möglicherweise mit Krücken mühsam vorwärtsschleppen und bezeichnete sich selbst dem König gegenüber als „toter Hund“.

Es gab ja damals keine Inklusion und keine behindertengerechten Arbeitsplätze.

David bestand in dieser Situation darauf, dass Mefi-Boschet alle Grundstücke, die ursprünglich Saul gehört hatten, zurückbekam, und dass Mefi-Boschet in Jerusalem wie ein Sohn des Königs behandelt werden sollte (2.Samuel 9).

Da haben die feinen Herrschaften im Palast aber gestaunt! Und Mefi-Boschet auch. Und weil er ja die Felder, die er soeben bekommen hatte, nicht selber bearbeiten konnte, wird Davids Informant, der Knecht Ziba, zum Gutsverwalter über die Felder des Mefi-Boschet bestellt.

Kein Happy End

Wer meint, wir hätten jetzt ein Happy End, der irrt. Denn der schöne Absalom wollte König werden. Und weil er verstanden hatte, dass er das auf dem normalen Wege der Thronnachfolge nicht werden konnte, denn Gott hatte den viel jüngeren Salomo als nächsten König vorgesehen, darum musste ein Staatsstreich her, ein Putsch.

Der Aufstand fand also statt, die Lage wurde undurchsichtig. Absalom schien recht stark zu sein, und David beschloss zu fliehen. Er verzog sich mit seinen Anhängern in die Berge.

Und als er da einen Hügel raufmarschiert, wer kommt ihm entgegen?

Ziba, der Gutsverwalter von Mefi-Boschet.

Und der ist nicht allein, sondern er hat zwei Esel dabei, vollbeladen mit Marschverpflegung für den König.

Der kommt natürlich wie gerufen, und David fragt Ziba, ob das wohl eine Idee von Mefi-Boschet sei.

Das war es aber nicht, sondern Ziba wusste zu berichten, dass Mefi-Boschet in Jerusalem geblieben war und darauf wartete, dass mit diesem Staatsstreich das Königtum wieder an die Dynastie von Saul zurückfällt, und damit würde Mefi-Boschet als Sohn des Kronprinzen Jonathan König.

Das ärgerte David natürlich, und er übertrug an Ort und Stelle das gesamte Eigentum des Mefi-Boschet auf Ziba.

Nach dem Aufstand

Nach vielen Kämpfen und einigem Hin und Her starb Absalom, und David konnte sich wieder auf den Rückweg machen zu seinem Palast.

Und auf diesem Rückweg geschah folgendes: 2.Sam 19,25-31

25 Und Mefi-Boschet, der Sohn Sauls, kam herab, dem König entgegen. Und er hatte seine Füße nicht gepflegt und seinen Bart nicht gepflegt und seine Kleider nicht gewaschen von dem Tag an, als der König weggegangen war, bis zu dem Tag, an dem er in Frieden zurückkommen würde. 

 26 Und es geschah, als er von Jerusalem dem König entgegenkam, da sagte der König zu ihm: Warum bist du nicht mit mir gezogen, Mefi-Boschet? 

 27 Er sagte: Mein Herr und König, mein Knecht hat mich betrogen! Denn dein Knecht hatte gesagt: Ich will mir den Esel satteln lassen und darauf reiten und mit dem König ziehen! — denn dein Knecht ist lahm. 

 28 Er aber ist als Verleumder gegen deinen Knecht zu meinem Herrn, dem König, gelaufen. Doch mein Herr, der König, ist wie der Engel Gottes. So tu, was gut ist in deinen Augen! 

 29 Denn das ganze Haus meines Vaters — das waren nichts als Männer des Todes vor meinem Herrn, dem König. Du aber hast deinen Knecht unter die gesetzt, die an deinem Tisch essen. Was für ein Recht habe ich da noch und welchen Anspruch, noch zum König zu schreien? 

 30 Da sagte der König zu ihm: Wozu redest du noch von deinen Angelegenheiten? Ich sage: Du und Ziba, ihr sollt das Feld teilen! 

 31 Mefi-Boschet sagte zum König: Er mag auch das Ganze nehmen, nachdem mein Herr, der König, in Frieden in sein Haus gekommen ist!

Nach der Darstellung von Mefi-Boschet hatte Ziba ihn also sitzen lassen.

Mefi-Boschet wollte die Esel haben, um mit David zu ziehen, und Ziba hat statt dessen die Esel genommen und ist alleine zu David gegangen und hat eine hübsche Geschichte über Mefi-Boschet erzählt.

Nach der Darstellung von Mefi-Boschet hat Ziba ihn nicht nur betrogen, sondern auch sein Leben in Gefahr gebracht, denn wenn der Staatsstreich gelungen wäre, hätte Mefi-Boschet als Günstling des alten Königs um sein Leben fürchten müssen. Noch dazu – das lesen Sie gleich – war Mefi-Boschet auf Gnade angewiesen. Die konnte er von David erfahrungsgemäß erwarten, weil David mit Jonathan einen Bund gehabt hatte. Aber ob Absalom dem Hause Sauls gegenüber viel Lust auf Gnade hatte, erscheint eher zweifelhaft.

Für David bestand in diesem Moment, fernab einer kriminalpolizeilichen Ermittlungsgruppe, das Problem, das er nicht herausfinden konnte, wer hier der Lügner war. Oder ob die Wahrheit nicht ganz woanders lag oder irgendwo in der Mitte. Darum teilte er das in Frage kommende Eigentum hier einfach halbe-halbe.

Das Problem  der Gnade

Mefi-Boschet hatte nach dem Scheitern des Staatsstreichs ein Problem: Er hatte kein Recht auf Rehabilitierung.

  • Er saß an Davids Tisch aus Gnade.
  • Er hatte den Grundbesitz Sauls aus Gnade bekommen.

Und auf Gnade hat man nun mal kein Recht.

Auf Gnade kann man nicht pochen.

So sagte Mefi-Boschet es auch in Vers 29: „Wir waren Männer des Todes.“ Er hatte kein Recht auf Leben (bezogen auf den König) und erst recht kein Recht, am Tisch des Königs zu sitzen. Und dass er als Großgrundbesitzer lebte, darauf hatte er auch kein Recht.

Die Ungerechtigkeit

Sohn von JonathanGehen wir mal davon aus, dass Mefi-Boschet die Wahrheit sagt.

Denn eigentlich hatte er durch eine Teilnahme am Staatsstreich nichts zu gewinnen, es sei denn, Absalom hatte ihm den Königsthron versprochen, was Absalom aber bestimmt nicht wahrgemacht hätte.

Wenn also Mefi-Boschet der Betrogene ist, dann ist das Urteil von David über die Güterverteilung ungerecht.

Dann hätte Mefi-Boschet einen triftigen Grund, sehr unzufrieden zu sein und sich zu beschweren.

Macht er aber nicht.

Er kann „wichtig“ von „sehr wichtig“ unterscheiden.

Und wenn David ihn vom königlichen Tisch verjagt hätte, er aber den Besitz hätte behalten können, das wäre für Mefi-Boschet keine gute Lösung gewesen.

Denn Mefi-Boschet brauchte Gnade, nicht Geld.

Er brauchte eine funktionierende Beziehung zum König, nicht ein bestimmtes Einkommen.

Die Anwendung

Das Leben ist bekanntlich schwierig und ungerecht.

Und manches, was uns im Leben passiert und was wir für eine Entscheidung Gottes halten, finden wir ungerecht und nicht schön und hätten wir uns so nicht gewünscht.

Die Probleme fangen hier schon damit an, dass wir Gott Entscheidungen zuschreiben, wo das Ergebnis in Wahrheit auf unseren eigenen Entscheidungen beruht und einfach Ergebnis unseres Lebensstils und unserer alltäglichen Beschlüsse ist.

Wir sind also unzufrieden mit Gott, obwohl es überhaupt nicht nachweisbar ist, dass die Geschehnisse irgendwas mit Gott zu tun haben. Vielleicht sind wir einfach an irgendeiner Ecke falsch abgebogen, und jetzt stehen wir halt da, wo wir stehen.

Vielleicht haben die Ergebnisse aber auch etwas mit Gott zu tun. Wer verstehen nur die Gedanken Gottes dahinter noch nicht, oder wir akzeptieren seine Gedanken nicht.

Um also hier jetzt nicht in ein Wirrwarr von Unzufriedenheit und Schuldzuweisungen zu geraten, ist die richtige Haltung die von Mefi-Boschet (Vers 29):

„Du hast mich an deinen Tisch gesetzt. Was für einen Anspruch habe ich da noch, mich zu beschweren?“

Wenn Sie Christ sind, sitzen Sie an Gottes Tisch. An der Tafel des Königs.

Ihnen ist Gnade widerfahren, Sie sind erwählt worden wegen Dingen, für die Sie nichts können (z.B., weil zufällig Jonathan Ihr Vater war).

Alles andere, was die Christen noch als „Segen“ verkaufen, ist Zugabe.

Aber es ist nicht essentiell.

„Freut euch im Herren allezeit“, hat Paulus darum gesagt.

Denn wer 90% hat und nun jammert über die 10%, die er noch vermisst, der ist irgendwie falsch gewickelt.