Erster Schöpfungsbericht

Von der Erschaffung der Welt haben wir am Anfang der Bibel zwei Berichte, die völlig unterschiedlich sind. Für die Gründe, warum es zwei unterschiedliche Berichte gibt, siehe in diesem Lexikon unter "Bibel: Widersprüche" beim Buchstaben "B" oder unter "Widersprüche in der Bibel" beim Buchstaben "W". Der vorliegende Artikel beschäftigt sich mit den Aussagen des ersten Berichtes in 1.Mose 1.

Da der erste Schöpfungsbericht in "Tage" eingeteilt worden ist, folgen wir hier dieser Einteilung. Dabei wissen wir, dass diese Einteilung wohl eher eine literarische denn eine tatsächliche ist, denn die Zeit, welche Grundlage dafür wäre, von "Morgen" und "Abend" und "Tagen" zu sprechen, wird überhaupt erst am vierten Tag erschaffen. Folglich kann es die ersten drei "Tage" eigentlich nicht gegeben haben. Aber darüber setzen wir uns jetzt hinweg.

Die Frage, inwieweit der biblische Bericht denn wahr sein kann, wenn die "Tage" im Schöpfungsbericht gar keine Tage im Sinne eines Zeitraumes von 24 Stunden oder eines Zeitraumes zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang sind, wird im Artikel "Bibel: Wahrheit" beim Buchstaben "B" besprochen. Und zur Beruhigung ängstlicher Seelen sei hier schon im Voraus gesagt: Dieser erste Schöpfungsbericht ist 100% Gottes Wort und absolut wahr!

Erster Tag: Materie und Licht

1.Mose 1,1-2
1 Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde.
2 Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis war über der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser.

Nach den ersten zwei Versen sieht das Geschaffene also aus wie auf dem Bild rechts:
Wenn wir jetzt mal so tun, als wenn es Licht gäbe, wenn wir also künstliches Licht einschalten, dann sieht das Ergebnis bis jetzt so aus - wobei wir den Geist Gottes, der über den Wassern schwebt, nicht abgebildet haben :-)

Wir haben bis jetzt also nur erst Materie, vermutlich, wie der Fortgang der Erzählung vermuten lässt, in einer Art "Ursuppe", wo also feste und flüssige Materie noch nicht getrennt sind. Und es wird übrigens nicht gesagt, dass Gott die Materie gut fand - vielleicht wird er uns deshalb am Ende wieder davon befreien?

Und wir haben natürlich Finsternis. Auch sie ist von Gott geschaffen worden, auch wenn das hier nicht definitiv erwähnt ist. (Das mag ganz frommen Menschen nicht gefallen, aber die Schlange im Paradiesgarten stammt ebenfalls von Gott. Weiteres zum Thema "wo kommt das Böse her?" in diesem Lexikon unter dem Eintrag "Das Böse" beim Buchstaben "B".)

1.Mose 1,3-5
3 Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es wurde Licht.
4 Und Gott sah das Licht, dass es gut war; und Gott schied das Licht von der Finsternis.
5 Und Gott nannte das Licht Tag, und die Finsternis nannte er Nacht. Und es wurde Abend, und es wurde Morgen: ein Tag.

Wir haben jetzt Licht und Finsternis getrennt, aber weder nach Raum (obwohl es im Bild räumlich dargestellt ist) noch nach Zeit, denn Raum und Zeit sind noch nicht geschaffen. Man hat sich hier also erstmal eine ideelle oder charakterliche Trennung von Licht und Finsternis vorzustellen, die für Gott zwar existiert, für Menschen aber nicht wahrnehmbar wäre.

Zweiter Tag: Raum

1.Mose 1,6-8
6 Und Gott sprach: Es werde eine Wölbung mitten im Wasser, und es sei eine Scheidung zwischen dem Wasser und dem Wasser!
7 Und Gott machte die Wölbung und schied das Wasser, das unterhalb der Wölbung, von dem Wasser, das oberhalb der Wölbung war. Und es geschah so.
8 Und Gott nannte die Wölbung Himmel. Und es wurde Abend, und es wurde Morgen: ein zweiter Tag.

Bis jetzt hatten wir überhaupt noch keinen Platz. Den kriegen wir jetzt. Rumlaufen kann man hier aber noch nicht, denn ringsrum ist Wasser, man würde also untergehen.

Übrigens ist Gott gerade dabei, lauter Dinge zu schaffen, die uns Menschen begrenzen. Denn dass wir gebunden sind an das Prinzip "Raum" (wie auch an "Materie" und "Zeit"), ist ja eine der Schwierigkeiten in unserem Leben. Manchmal wäre es ganz praktisch, an zwei Orten gleichzeitig sein zu können ...

Dritter Tag: Schwerkraft und Leben

1.Mose 1,9-10
9 Und Gott sprach: Es soll sich das Wasser unterhalb des Himmels an einen Ort sammeln, und es werde das Trockene sichtbar! Und es geschah so.
10 Und Gott nannte das Trockene Erde, und die Ansammlung des Wassers nannte er Meere. Und Gott sah, dass es gut war.

Jetzt wird also die Ursuppe getrennt. Oder anders gesagt: Die Schwerkraft wird eingeführt. Die Materie bekommt eine Art Magnetismus. Wobei das atmosphärische Wasser oben bleibt, was durchaus am Anfang der Erde so gewesen sein kann. Mit einem starken Wassergürtel rund um die Erde ließen sich einige Erscheinungen der Frühzeit gut erklären.

1.Mose 1,11-13
11 Und Gott sprach: Die Erde lasse Gras hervorsprossen, Kraut, das Samen hervorbringt, Fruchtbäume, die auf der Erde Früchte tragen nach ihrer Art, in denen ihr Same ist! Und es geschah so.
12 Und die Erde brachte Gras hervor, Kraut, das Samen hervorbringt nach seiner Art, und Bäume, die Früchte tragen, in denen ihr Same ist nach ihrer Art. Und Gott sah, dass es gut war.
13 Und es wurde Abend, und es wurde Morgen: ein dritter Tag.

Hier entsteht nun Leben. Aber dieses Leben kann sich noch nicht bewegen, kann nichts gestalten. Es ist nur vorhanden.

Vierter Tag: Zeit

1.Mose 1,14-19
14 Und Gott sprach: Es sollen Lichter an der Wölbung des Himmels werden, um zu scheiden zwischen Tag und Nacht, und sie sollen dienen als Zeichen und zur Bestimmung von Zeiten und Tagen und Jahren;
15 und sie sollen als Lichter an der Wölbung des Himmels dienen, um auf die Erde zu leuchten! Und es geschah so.
16 Und Gott machte die beiden großen Lichter: das größere Licht zur Beherrschung des Tages und das kleinere Licht zur Beherrschung der Nacht und die Sterne.
17 Und Gott setzte sie an die Wölbung des Himmels, über die Erde zu leuchten
18 und zu herrschen über den Tag und über die Nacht und zwischen dem Licht und der Finsternis zu scheiden. Und Gott sah, dass es gut war.
19 Und es wurde Abend, und es wurde Morgen: ein vierter Tag.

Die Planeten werden ausdrücklich nicht dazu geschaffen, das Gleichgewicht im Kosmos zu gewährleisten, sondern es wird - in fast schon ermüdendem Stil - ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Gestirne dazu da sind, die Zeit zu strukturieren. Man muss bedenken, dass Sonne und Mond damals die einzigen Möglichkeiten waren, die Zeit zu messen.

Die Frage, wo eigentlich bisher das Licht herkam, wenn es noch gar keine Sonne gab, stellen wir hier einfach nicht :-)

 Fünfter Tag: Freiheit

Nachdem wir jetzt 4 Komponenten haben, die den Menschen begrenzen (Materie, Schwerkraft, Raum, Zeit), wird jetzt die Freiheit geschaffen. Damit die Freiheit aber funktionieren kann, braucht sie eine Reihe von Komponenten, die alle an diesem fünften Tag erfunden werden:

  • Bewegung (im Gegensatz zum Gras des dritten Tages)
  • Leben (hier in dem Sinne, Entscheidungen treffen zu können – und damit Beziehungen möglich zu machen) – Pflanzen zählten im Altertum nicht zu den Lebewesen.
  • Grenzenlosigkeit (für den Fisch im Meer und den Vogel gibt es keine Grenze)

Natürlich könnte man jetzt meckern, warum die Freiheit in den Rahmen der Gebundenheiten hinein geschaffen wird. Wäre es nicht sinnvoller gewesen, die Freiheit als erstes zu schaffen, damit sie eine wirkliche Freiheit ist?

Aber gerade in dieser Anordnung zeigt sich die Genialität des Autors, der verstanden hat, dass es wahre Freiheit nur in Begrenzung gibt.

Dass die Freiheit aber ausgerechnet in Bereichen erschaffen wird, in denen der Mensch sich nicht dauerhaft aufhalten kann, zeigt, für wie enorm frei der Autor die Freiheit hält.

Sechster Tag: Beziehungen

Zuerst werden die Tiere erschaffen, mit denen der Mensch in Beziehung treten kann, weil sie in der gleichen Umgebung leben wie er. Dabei werden die Tiere nach der Qualität der möglichen Beziehung sortiert:

  • Tiere, mit denen man nichts anfangen kann (kriechende Tiere)
  • Tiere, mit denen man bedingt etwas anfangen kann (wilde Tiere – könnte man jagen)
  • Tiere, mit denen man zu 100% etwas anfangen kann (domestiziertes Vieh)

Es folgt die Erschaffung des Menschen, der folgende Eigenschaften besitzt:

  • Bild Gottes, zu denken wie in einem Spiegel: Der Mensch bildet eine Seite Gottes ab. (Auf einem Bild oder in einem Spiegel sieht man immer nur eine Seite.)
  • zur Herrschaft berufen
  • Darf alle Früchte essen, aber weder Fleisch noch Grünzeug (Fleischgenuss wird dem Menschen erst nach der Sintflut erlaubt)

Die Herrschaft des Menschen bezieht sich aber nicht auf den Kolibri und die Riesenkrake, sondern der Mensch soll herrschen über die Freiheit und über seine Beziehungen.

Siebter Tag: Die Krone der Schöpfung - der Sabbath

Die Krone der Schöpfung ist nicht etwa der Mensch, sondern das Prinzip "Sabbat". Denn der Sabbat ist nicht nur dieser eine besondere Tag in der Woche, sondern der Sabbath ist eines der bedeutsamsten Prinzipien in Gottes Reich und nimmt viele unterschiedliche Erscheinungsformen an, u.a. im Sabbatjahr, im Jobeljahr, in der Sorgenfreiheit laut der Bergpredigt und im Himmel.

Zur genauen Beschreibung dieses grandiosen göttlichen Prinzips siehe den Artikel "Sabbat" unter dem Buchstaben "S" in diesem Lexikon. An dieser Stelle hier würde der Platz niemals reichen, dieses Prinzip auch nur annähernd zu erklären.

Zusammenfassung erster Schöpfungsbericht

Dieser erste Schöpfungsbericht wurde offenbar von einem sehr intelligenten und weit denkenden Menschen geschrieben, man könnte sagen: von einem frühen Physiker. Die Erkenntnis, dass die Hauptelemente dieser Welt Materie, Schwerkraft, Licht, Finsternis, Raum, Zeit, Leben und Bewegung sind, ist beachtlich.

Dieser Bericht wurde keineswegs geschrieben, um den Biologen dieser Welt mitzuteilen, auf welche Weise und an welchem Tag Gott die Giraffe gemacht hat. Was wir hier lesen, ist kein Kinderbuch. Sondern dieser Bericht wurde herausgegeben, um zu zeigen, dass das Prinzip "Sabbat" die wertvollste Komponente der Schöpfung ist. Darum wurde dieser Bericht auch in die literarische Form von "sieben Tagen" gepackt. Denn das Ziel, auf das der Bericht hinarbeitet, ist eben der siebente Tag.

Literarisch ist das deshalb so genial, weil jemand, der den Bericht zum ersten Mal hört, nach der Erschaffung des Menschen natürlich für den 7.Tag etwas noch Größeres erwartet, vielleicht die Erschaffung der Klingonen oder der Engel. Es kommt ja auch was Größeres - aber wer hätte DAMIT gerechnet?

Aber während der Mensch immerhin dem Bilde Gottes entspricht, was ja schon bemerkenswert ist, entspricht das Prinzip "Sabbat" dem Wesen Gottes in einem extrem hohen Maß. Darum muss Gott auch, um den Sabbat zu schaffen, nicht einen Befehl erteilen. Der Sabbat wird geschaffen, indem Gott ihn ausführt.

So haben wir am Ende 4 Dinge, die den Menschen begrenzen, und 4 Dinge, die ihm Weite schenken:

  • begrenzend: Materie, Schwerkraft, Raum, Zeit
  • erweiternd: Freiheit, Beziehung, Göttlichkeit, Versorgung durch Gott