Vergeben: Mein Gewinn, wenn ich es lasse

Vergeben ist deshalb so schwierig, weil ich damit die Waffen gegen den Anderen aus der Hand gebe. Die Schuld des Anderen verleiht mir Macht über ihn. Ich kann ihm etwas vorhalten. Ich kann immer sagen: „Du brauchst jetzt gar nicht …, denn Du hast damals …“

Gerade dieses Verhalten ist aber natürlich ein Zeichen von Schwäche. Ich bin nicht stark genug, um auf diese Waffen verzichten zu können. Wenn Paulus immer wieder die Notwendigkeit für die Christen betont, stark werden zu müssen, dann hat das eben damit zu tun, dass das Christsein für Schwächlinge nichts ist. Man muss alle irdischen Waffen ablegen und sich mit der Waffenrüstung Gottes begnügen.

Die Verweigerung von Vergebung ermöglicht es mir, mich als Opfer darzustellen. Damit ist nicht nur der Andere schuldig, sondern ich bin unschuldig. Ich brauche mich nicht zu ändern und mir keine Vorwürfe zu machen.

Außerdem brauche ich mich mit dem anderen nicht weiter zu befassen. Er ist in seiner Rolle als „der Böse“ festgelegt. Ich brauche dem Anderen auch nicht auf Augenhöhe zu begegnen – Paulus wusste schon, warum er sagte „einer achte den anderen höher als sich selbst“. Der Andere steht ja unter mir, steht in meiner Schuld.

Zum Schluss ist verweigerte Vergebung auch nützlich, wenn ich mit meiner eigenen Schuld nicht klarkomme. Dann kann ich den Anderen zum Schuldigen erklären und habe mich selbst erfolgreich entlastet.