Vollmachtsrede Nummer 9

Johannes 10,24-26

24 Da umringten Jesus die Juden und sprachen zu ihm: Bis wann hältst du unsere Seele hin? Wenn du der Christus bist, so sage es uns frei heraus. 

25 Jesus antwortete ihnen: Ich habe es euch gesagt, und ihr glaubt nicht. Die Werke, die ich in dem Namen meines Vaters tue, diese zeugen von mir; 

26 aber ihr glaubt nicht, denn ihr seid nicht von meinen Schafen, wie ich euch gesagt habe. 

Im Vers 24 wollten die Juden endlich von Jesus wissen, ob er denn nun der Messias ist.

Es war nämlich gerade Tempelweihfest, welches man deshalb feierte, weil im Jahr 165 v.Chr. Judas Makkabäus die Seleukiden aus Jerusalem vertrieben hatte und den Tempel neu geweiht hatte. Heute heißt dieses Fest „Lichterfest“, also Chanukka, und wird immer noch gefeiert.

Und man hätte mal wieder so einen wie Judas Makkabäus brauchen können.

Nur dass er dieses Mal die Römer hätte vertreiben sollen und nicht die Griechen.

Und das Tempelweihfest wäre ein prima Gelegenheit gewesen, in der Tradition des Judas Makkabäus einen neuen Befreier auszurufen.

Die Juden hatten natürlich durchaus den richtigen Riecher: Niemals war jemand mehr Messias gewesen als Jesus, nie hatte jemand mehr nach Messias gerochen.

Und die Bevölkerung hatte ja schon bei Jesu Reden gemerkt, dass Jesus eine Vollmacht hat, die ihn grundsätzlich von den Schriftgelehrten unterscheidet.

Schon aufgrund von Jesu Reden hätten man merken können, dass er von Gott kommt.

Aber nun gut: Wenn die Juden Jesu Wort nicht glauben, dann könnten sie sich ja durch seine Taten überzeugen lassen.

Taten, die noch niemals jemand getan hatte. Schon gar nicht in dieser Menge.

Solche Taten kann man nur mit Gottes Kraft tun. Oder mit welcher Kraft hatten Elia und Elisa ähnliches getan?

Solche Taten kann man nur tun, wenn Gott dahinter steht.

Also eben „im Namen Gottes“, wie Jesus das hier sagt.

Wenn solche Taten funktionieren, dann kann man davon ausgehen, dass diese Taten auch eine Aussage Gottes sind. Göttliche Vollmacht ist immer auch eine Ansage von Gott selbst. Dass Gott nämlich bekundet, dass er hinter dem steht, der die Taten vollbringt. Dass er zu dieser Person steht.

Aber die Juden, die hier fragten, wollten etwas ganz bestimmtes.

Sie wollten einen Befreier, dessen Aufgaben sie genau definieren konnten.

Sie wollten nicht Verleugnung des Fleisches, sondern genau das Gegenteil: Macht für das Fleisch, Macht für den natürlichen Menschen.

Die Juden wollten auch nicht Sündenvergebung und Bekehrung. Die Sündenvergebung des Tempels reichte ihnen, und zu bekehren waren allerhöchstens die Zöllner, Sünder und Heiden.

Und wenn Gott dann einen schickt, der aus allen Poren nach Messias riecht und der offenbar eine Kraft hat, wie sie niemals vorher jemand hatte, und hinter dem ganz offensichtlich Gott stand und mit dem Gott offensichtlich eine Aussage machte – nein, der passt nicht zu uns.

Anwendung für heute

Die Kirchengeschichte ist voll von Gestalten, die im Namen Gottes etwas sagen sollten oder tun sollten. Die eine Vollmacht hatten.

Und diejenigen, die wir kennen, sind ja nur die oberen 5%, deren Wirken soviel öffentliche Aufmerksamkeit bekommen hat, dass die Historiker immer noch davon wissen.

Immer wieder schickt Gott Leute, die eine Gemeinde wieder auf die richtige Spur setzen sollen: In der Lehre, in der Barmherzigkeit, in der Kraft, in der Freiheit, in der Liebe – oder worin auch immer.

Das Problem

Das Problem daran ist, dass solche Vollmachten immer noch interpretationsfähig sind.

Selbst wenn einer wie Jesus auftritt, können die Pharisäer das immer noch nach ihren Wünschen interpretieren.

Wenn in unseren Gemeinden jemand auftritt, der definitiv von Gott gesandt ist, dann sind wir damit unsere Verantwortung nicht los.

Wir müssen uns positionieren.

Die Vollmacht des anderen entbindet uns nicht von unserer Pflicht zur Entscheidung.

Gott wird niemals jemanden schicken, der uns die Freiheit des Willens nimmt.

Keine Lösung des Problems

Jesus begründet in Vers 27 recht eindeutig, warum die Pharisäer die Vollmacht Jesu nicht erkennen konnten: Sie gehörten nicht zu Jesu Schafen.

Wenn jemand eine Vollmacht hat, es aber mit einer Gruppe von Personen zu tun hat, die sich sehr fromm benehmen, aber keineswegs die Absicht haben, Jesu Schafe zu sein, dann steht der Bevollmächtigte auf verlorenem Posten.

Denn selbst wenn Jesus hundertmal durch den Bevollmächtigten spricht, können diese Personen die Stimme Jesu in seinen Worten oder seinem Verhalten nicht hören. Nur die Schafe hören die Stimme des Hirten.

Damit ist also das Problem durch noch so viel Mühegeben seitens des Bevollmächtigten nicht lösbar.

Wobei die Personen, die nichts hören, natürlich dem Bevollmächtigten die Schuld geben werden.

Denn wo kämen wir hin, wenn so ein frommer Mensch die Stimme Gottes nicht hören kann!

Schlusswort

Der Besitz einer göttlichen Vollmacht ist also noch lange keine Garantie für Erfolg.

Denn, das haben wir heute gelernt: Die Vollmacht des Anderen ist immer noch interpretationsfähig. Gott entlässt uns nicht aus der Verantwortung, er nimmt uns nicht unsere Freiheit.